Als Lohn ein Edelweiß ...

Tagsüber vor herrlicher Kulisse zu jagen, dann auch noch Beute zu machen, das ist es, was die Gamsjagd so begehrenswert macht. Dabei müssen es nicht immer Kapitalstücke zur Winterszeit sein. Auch der Sommergams hat seinen Reiz. 


Von Stefan Maurer

 

Das Verbreitungsgebiet von Gamswild ist überschaubar, deshalb sind auch die Jagdmöglichkeiten darauf verhältnismäßig eingeschränkt. Vor allem wenn man selbst kein Gamsrevier sein Eigen nennt und keine gönnerhaften Jagdherren in hochalpinen Gefilden kennt, ist es sehr schwierig, selbst einmal Gamswild bejagen zu können. Der Markt ist nämlich sehr überschaubar, was das Angebot an solchen Jagdmöglichkeiten betrifft. Wenn, dann werden die begehrten und kostspieligen Trophäenträger der Ernteklasse angeboten, geführte Jagden auf preiswertes Scharwild gibt es kaum. Dabei würde es für das Erlebnis kaum eine Rolle spielen, welchem Stück die Jagd schlussendlich gilt. Hauptsache, man ist raus aus dem Tal und hoch in den Bergen, um abschalten und die Natur ringsum in sich aufsaugen zu können.

 

 

Besuch aus Finnland

In Finnland spielt die Jagd eine große Rolle, auch wenn der Zugang zu ihr in vielen Bereichen ganz anders als in unseren heimischen Revieren ist. Trotz allem sind die Finnen sehr aufgeschlossen für alles, was aus dem jagdlichen Ausland kommt. Außerdem sind die Jagdzeiten dort im Grunde auf eine kurze Herbstjagd beschränkt und viele nordische Jäger zieht es sommersüber in andere Gefilde, um dort einer Wildart nachstellen zu können.

Jere Malinen ist Biologe. Seine Diplomarbeit hat er über nordische Rötelmäuse verfasst, deren periodisch massenhaftes Auftreten in direktem Zusammenhang mit der Bestandesdynamik bei Raufußhühnern steht: Gute Mäusejahre sind gute Hahnenjahre. Daneben ist Jere einer der bedeutendsten Mitarbeiter der größten finnischen Zeitschrift für Jagd und Fischerei, „Metsästys ja Kalastus“, für die er vor allem jagdliche Reportagen erarbeitet. Nicht zuletzt deshalb war es sein Wunsch, einmal in Österreichs Bergen auf einen Sommergams zu gehen.

 

 

„Earning the Edelweiss“

Finnland ist flach. Etwas mit den Alpen Vergleichbares gibt es nicht. Es schaut dort eher aus wie bei uns im Waldviertel, nur sind zusätzlich Zehntausende Binnenseen in der Landschaft verteilt. Entsprechend herausfordernd für die Nordländer ist eine Pirsch im Hochgebirge, noch dazu wenn diese für das österreichische Dach der Welt festgelegt ist. Im Salzburger Pinzgau gibt es einen Forst- und Jagdbetrieb, auf dessen Fläche es 21 Dreitausender gibt. Der höchste davon ist das Große Wiesbachhorn mit 3.564 m. Ausgemacht war die Bejagung von Scharwild, auch wenn das normalerweise ausschließlich Aufgabe der Berufsjäger ist. Dem VIP-Status des besagten Gastes entsprechend wurde hier eine Ausnahme gemacht. Und auch wenn die Pirsch keine alpinistische Meisterleistung war, so war sie doch herausfordernd genug, um dem Mann aus Finnland die Schneid abzukaufen. Am Ende war er überglücklich und froh, durchgehalten zu haben. Als Lohn dafür gab es ein Edelweiß. So titelte er dann die Jagdreportage aus Österreichs Bergen: „Earning the Edelweiss“. Für weiche Knie haben aber nicht nur eigene Erfahrungen gesorgt: Während der Jagd kam es im selben Revier bei einem leichtsinnigen Sommerurlauber zu einem tödlichen Bergunfall, bei dem auch einer der Berufsjäger zugegen war.

 

 

Mit dem Wind zum Gams

Wenn man tagsüber vom Tal ins Gamsgebirge aufsteigt, hat man meist ein Problem: Bergwind. Deshalb muss man die Einstände großräumig umgehen, damit man sich nicht schon vorab selbst alle Chancen vertut. Aus einem Kilometer Luftlinie werden so schnell mehrere Stunden, die man entlang alter Steige in Serpentinen hochsteigen muss. Doch auch auf Deckung ist zu achten, da besonders die führenden Geißen in den Scharwildrudeln erfahren und misstrauisch sind. Des Weiteren will man vermeiden, direkt ins Rudel zu schießen. Das bedeutet weiter, man muss darauf warten, bis passende Stücke ein wenig abseits stehen, damit man nicht selbst für vermeidbaren Jagddruck verantwortlich ist.

 

 

Ansprechen lernen

 

In gut geführten Gamsrevieren lässt sich dieses Bergwild tagsüber bei bestem Licht auf passable Entfernung beobachten. Hochrasanzkaliber mit Ballistiktürmen braucht es da nicht. Dennoch kann das Ansprechen von Gamswild eine Herausforderung sein, vor allem wenn man das nicht alle Tage macht. In der Jugendklasse ist das zwar noch relativ einfach, weil selbst unerfahrene Jäger ältere Geißen und deren Nachwuchs auseinanderhalten können. Schwieriger wird es schon, wenn es darum geht, einen Bock- von einem Geißjahrling unterscheiden zu können, was allein beim Betrachten der Krucke bei Weitem nicht immer so einfach möglich ist.

Erklärtes Ziel war es, vorwiegend bei den weiblichen Stücken der Jugendklasse einzugreifen, womit das saubere Ansprechen des ortskundigen Jagdverantwortlichen unverzichtbar war. Bald schon hat er ein zweijähriges Geißl ausgemacht, das nach sauberem Schuss in sich zusammengesunken und einen Lahner heruntergerutscht ist. Wenig später kam links vom Sitz auf einem Felsköpfl ein Geißjahrling zum Vorschein, der mutterseelenalleine war. Ihn warf der Schuss im Knall zu Boden – glücklicherweise an einer Stelle, wo die Bergung leicht möglich war. Schließlich zog noch eine Geiß mit einem schwachen Bockjahrling über den Hang, der sich im Schuss aufbäumte und am Hangfuß zu liegen kam. 

Dass der schwerpunktmäßige Eingriff in diesem Revierteil vom Rest des Scharwildes kaum wahrgenommen worden war, zeigten zahlreiche weitere Stück, die ganz vertraut auch danach noch in Anblick gekommen sind. Und am nächsten Morgen stand das Rudel wie tags zuvor oben am Imbachhorn, als ob nie was geschehen wäre.