Rehe in der Kulturlandschaft

Das Rehwildprojekt der Steirischen Landesjägerschaft und der Landesforstdirektion Steiermark. Im rotwildfreien Teil der Steiermark läuft nun ein Forschungsprojekt an. Konkret soll das die Eignung der Unterkieferlänge sowie der Wildbretgewichte von Jahrlingen und Kitzen als Indikator für die Bestimmung der Wilddichte in Teilen der Steiermark testen.

 

Auf Anregung der Landesforstdirektion Steiermark hat die Steirische Landesjägerschaft im Vorjahr beschlossen, gemeinsam mit der Landesregierung ein Rehwildprojekt durchzuführen. Beide Institutionen unterstützen das Projekt finanziell – beide sind Auftraggeber und Partner. Ausschlaggebend war für Landesforstdirektor DI Michael Luidold, dass anhand einiger weniger objektiv nachvollziehbarer Parameter Aussagen über den Lebensraum für Rehwild in den rotwildfreien Gebieten der Steiermark getätigt werden. Daraus können dann Grundlagen für die Abschussplanung erarbeitet werden, im Unterschied zu den Ergebnissen von Verbisskontrollsystemen, wo erst relativ spät reagiert werden kann und das Ursachen-Wirkungs-Gefüge nicht immer eindeutig festzustellen ist. Landesjägermeis­ter Franz Mayr-Melnhof-Saurau ist selbst Rehwildreferent der Jägerschaft, ihm liegt die Wildart besonders am Herzen.

 

Indikatoren für die Lebensraumkapazität

Ziel war demzufolge von Anfang an die Suche nach einfachen Indikatoren, die sich als Weiser für die Wilddichte und die Ausnutzung der Lebensraumkapazität durch Rehwild eignen. Im Grunde genommen ein Thema, das jeden Rehwildjäger interessiert. Dabei war klar, dass Aussagen auf Revierebene oder auch auf Waldbestandsebene nicht möglich sein werden. Rehe sind zwar standorttreu, die Abwanderung vor allem junger Stücke ist aber auch beim Rehwild ein wesentlicher Faktor, der die Wilddichte beeinflusst. Das heißt, es gibt keinen direkten Rückschluss von einem „Wilddichteindex“ auf die Verjüngung in einem Waldbestand. Der Indikator kann aber als Grundlage für die Ausrichtung bzw. Steuerung der jagdlichen Planung innerhalb eines Hegegebietes dienen. Die Reviere können sich daran orientieren.

 

Analyse von Unterkieferlängen und Wildbretgewichten

Konkret soll das Projekt die Eignung der Unterkieferlänge sowie der Wildbretgewichte von Jahrlingen und Kitzen als Indikatoren für die Bestimmung der Wilddichte in Teilen der Steiermark prüfen. In der Wildbiologie ist seit Langem bekannt, dass die Länge der Unterkiefer ein recht verlässlicher Weiser für die Entwicklung und das Wachstum von jungem Wild ist. Dazu gibt es auch bereits einige Studien. Das heißt, vorerst werden einmal die jungen Stücke (Kitze, Einjährige) als Indikatoren für kurzfristige Änderungen getestet. Aber niemand will auf Dauer Kiefer vermessen. Das heißt, in der Steiermark geht es darum, den Aussagewert des „Gewichtes“ mit den Kieferlängen einzuschätzen bzw. abzusichern – Kieferlängen sind wesentlich aussagekräftiger, wenn es um Konkurrenz, Körperwachstum und Wilddichten geht. Dafür benötigen wir etwa zwei Jahre lang die Unterkieferlänge als Ergänzung/Kontrolle zum Wildbretgewicht. An eine weitere Entnahme oder Vermessung der Kitzkiefer ist nicht gedacht. Nähere Informationen können dazu am Landesjagdamt oder über die Bezirksjagdämter eingeholt werden.

 

Natürliches Äsungsangebot

Die Wilddichte allein, ebenso wie die absolute Anzahl von Rehen, sagt aber noch immer wenig über Lebensraumbelastung und Konkurrenz aus. Wir brauchen also auch Grundlagen über die Qualität des Lebensraumes. Eine entscheidende Größe ist dabei das Nahrungs­angebot. Das Nahrungsangebot zählt zu den wichtigsten Einflussfaktoren für die Populationsdynamik der meisten Pflanzenfresser. Jagd, Raubwild, Verkehr oder Krankheiten sind sekundäre Faktoren, welche die Bestände von Pflanzenfressern „modifizieren“. Der Einfluss der Jagd wird stärker mit abnehmender Produktivität der Lebensräume und strengeren Wintern. Das heißt, gibt es große Maisäcker oder Fichtenforste, die wenig Äsung bieten, dann wird die Qualität des Lebensraumes abnehmen. Das sollte sich vereinfacht in der Kondition und auch in der Zuwachsrate beim Rehwild widerspiegeln. Es geht also darum, dass die Lebensräume bewertet werden. Das soll auf Hegegebietsebene geschehen. Zum Einsatz kommen hier Unterlagen aus dem Geografischen Informationssystem der Steiermark. Erfasst und bewertet werden die rotwildfreien Hegegebiete in der Ost- und Südoststeiermark, konkret in den Bezirken Hartberg-Fürstenfeld, Weiz, Südoststeiermark, Leibnitz, Deutschlandsberg, Voitsberg und Graz-Umgebung.

 

Erhoffter Erkenntnisgewinn

Am Ende soll jedes Hegegebiet Grundlagen über die Lebensraumqualität für Rehe erhalten – dazu auch die Durchschnittsgewichte und die Abschussdichten –, woraus auf Zuwachs und Kondition geschlossen werden kann. Insgesamt sollen damit also Grundlagen geschaffen werden, um das Verhältnis zwischen Wildtier und Lebensraum besser zu verstehen. Interessant wird dabei der Vergleich mit anderen Gebieten – erst durch die Gegenüberstellung verschiedener Lebensräume wird eine Einschätzung bzw. Beurteilung wirklich aussagekräftig. Im Grunde sind das alles Fragen, die jeden Rehwildjäger, der nicht nur auf ein paar Böcke im Jahr aus ist, interessieren. Wir gehen davon aus, dass damit auch Antworten für einen lokalen, lebensraumbezogenen Umgang mit der Wildart geliefert werden. Das heißt konkret: Wir sollten den Lebensraum mit im Auge behalten, wenn wir mit Rehen umgehen – und zwar nicht immer nur aus der Schadensperspektive, sondern auch aus dem Blickwinkel des Wildtieres. Patentrezepte, die alles über einen Kamm scheren, sind hier nicht angebracht. Wie unterschiedlich Rehreviere sein können und welchen Zugang oder welche Freiheiten verschiedene Reviere und Interessen erfordern, werden wir beleuchten – zum Wohle der Wildart und des Lebensraumes und hoffentlich auch zur Freude jener Jäger, für die das Rehwild im Mittelpunkt ihrer Interessen steht. Die Kiefervorlage über zwei Jahre ist ein Beitrag dazu. Aufgrund der Corona-Situation sind Vorhersagen schwierig. Geplant ist, dass die Lebensraumanalysen bis Ende 2021 weitgehend abgeschlossen werden. Nachdem danach noch ein weiteres Jagdjahr Kiefer gesammelt werden, kann diese Auswertung erst 2023 erfolgen. In diesem Jahr sollte dann auch das Endergebnis vorliegen. Wir bitten um konstruktive Mitarbeit. Zwischenergebnisse werden im ANBLICK, aber auch im Rahmen von Bezirksveranstaltungen präsentiert.