Tularämie: Erkrankungen österreichweit nachweisbar

Nach einer Ausdehnung der Tularämie-Seuchengebiete seit der Jahrtausendwende sind Humanfälle oder Fälle beim Feldhasen mittlerweile aus allen Bundesländern gemeldet.

Vereinzelte Fälle von Tularämie wurden in den 1930er-Jahren in Deutschland festgestellt und ab 1936 trat sie endemisch im Marchfeld nordöstlich von Wien auf. Zahlreiche Humanfälle ereigneten sich 1941 bis 1945 im osteuropäischen Kriegsgebiet, wobei über rund 100.000 Erkrankungen und Massenausbrüche mit 100 bis 1.000 Fällen, davon zwei Lagerepidemien bei deutschen Kriegsgefangenen, berichtet wurde. Das Vordringen von Ost- nach Westeuropa war vermutlich auch eine Folge des letzten Krieges. In den 1950er-Jahren breitete sich die Seuche über Lemminge und Eichhörnchen in Skandinavien aus. Von den Endemiegebieten aus erfolgte durch den Wildbrethandel mit Feldhasen und Kaninchen eine Verschleppung in andere Gebiete und in Großstädte. Verschleppt werden kann der Erreger auch über infizierte Zecken, die auf Zugvögeln parasitieren. Als weiterer begünstigender Faktor für die Ausbreitung der Tularämie gilt der Klimawandel, was wir für Österreich in einer Simulationsstudie nachweisen konnten. Im Jahr 2023 wurden in Österreich 53 Erkrankungsfälle beim Menschen gemeldet. Bei Feldhasen wurde die Tularämie 2023 bei zehn Tieren bestätigt. Seit 2018 wird ein endemisches Vorkommen der Tularämie bei Feldhasen auch in Westösterreich festgestellt, vorwiegend in Salzburg, aber auch in Tirol und Vorarlberg. Im November 2023 wurde die Tularämie erstmals in Kärnten (Grafenstein) bei einem Feldhasen nachgewiesen. In der Steiermark konnten wir Tularämie bisher südlich der Mur-Mürz-Furche nachweisen, jüngst bei gehäuftem Verenden von Feldhasen im Raum Kalsdorf und Werndorf im Bezirk Graz-Umgebung.

 

Wesen der Krankheit

Die Tularämie, auch Hasen- oder Nagerpest, Hirschfliegen- oder Lemmingfieber genannt, kommt über die nördliche Halbkugel verbreitet vor. Der bakterielle Erreger Francisella tularensis wurde bisher bei über 100 Wirbeltier-, 25 Vogel- und einigen Frosch-, Kröten- und Fischarten nachgewiesen. Zecken, Bremsen, Lausfliegen, Mücken, Floh-, Läuse- und Milbenarten können den Erreger tragen oder auch übertragen. Bremsen bleiben nach Saugen an kranken Tieren nur zwei Tage, Zecken jedoch sechs bis 18 Monate infiziert.

Von den Wirbeltieren sind Wühlmäuse, Bisamratten, Feldhasen, Wildkaninchen und einige Insektenfresser hochempfänglich für eine Infektion und erkranken meist schwer, verbunden mit hohen Letalitätsraten. Der akute bis chronische Krankheitsverlauf beim Hasen ist vorwiegend gekennzeichnet von hochgradiger Milzschwellung und kleinknotigen Veränderungen in den Lungen. Hochempfängliche Tierarten bilden vorübergehende Reservoire, weniger empfängliche und mehr chronisch erkrankende Tierarten bilden permanente Reservoire, in denen die Infektion langjährig in einem Gebiet persistieren kann. Bei Wildwiederkäuern, Rindern und Schweinen findet man Antikörper im Blut, ohne dass die Tiere Symptome zeigen.

Die Tularämie zählt zu den gefürchtetsten Zoonosen, also zwischen Tieren und Menschen übertragbaren Krankheiten. Der Erreger wurde/wird als biologischer Kampfstoff eingesetzt.

 

Tularämie beim Menschen

Gemeldete Tularämiefälle bei Menschen in Österreich sind häufig als Kontaktinfektionen vom Umgang mit Hasen, eventuell auch über die unverletzte Haut, beschrieben. Im Jahr 2016 wurden einige Tularämiefälle beim Menschen aus Tirol gemeldet und alle diese Infektionen sind vermutlich über Zeckenstiche übertragen worden, ein Übertragungsweg, der zuvor in Österreich nicht gemeldet worden war. Jäger infizieren sich weiters über Einatmen der Erreger, vor allem beim Auswerfen oder Abbalgen von Feldhasen. Zudem ereignen sich Infektionen bei landwirtschaftlichem Arbeiten mit Heu, Stroh, Getreide oder Zuckerrüben, wenn diese mit Exkreten oder Kadavern von Mäusen oder Hasen kontaminiert sind und sich Staub entwickelt. Auch eine Übertragung durch kontaminierte unzureichend gegarte Lebensmittel oder Wasser ist möglich, ebenfalls durch Baden in kontaminierten Gewässern.

Wenige Tage bis zwei Wochen nach einer Infektion entsteht beim Patienten meist an der Kontaktstelle ein schmerzloses Geschwür. Es kann zu unterschiedlichen Krankheitsverläufen mit sehr unterschiedlichen Symptomen kommen, weshalb Tularämie oft nicht leicht zu diagnostizieren ist. Häufige Symptome sind Fieber, Kopf- und Gliederschmerzen, ausgeprägte Mattigkeit und schmerzhafte Schwellung der regionalen Lymphknoten. Die Symptome sind hauptsächlich abhängig vom Infektionsweg: Nach Infektion über die Lidbindehäute der Augen entsteht eine Lidbindehautentzündung, bei oraler Aufnahme verläuft sie mit Angina sowie mit Schwellungen der Unterkieferlymphknoten. Die „innere Form“ der Tularämie kann mit ausgeprägten Leibschmerzen, Lungen- und Rippenfellentzündung, Milzschwellung, Erbrechen und Durchfall, begleitet von Fieberschüben, einhergehen. Bei der Übertragung durch Zeckenstich entsteht um die Stichstelle ein ausgestanztes Geschwür. Die Mortalität beim Menschen liegt in Europa zwischen ein und fünf Prozent, in amerikanischen Seuchengebieten mit einem anderen Erregerstamm bis 40 Prozent. Tularämie kann mit Antibiotika behandelt werden.

Um das epidemiologische Wissen über Tularämie bei Wildtieren und die damit verbundenen Risiken für den Menschen zu steigern, wird in Zukunft ein langfris-tiges systemisches Monitoring bekannter natürlicher Reservoirtiere, besonders von Feldhasen, unerlässlich sein. Dabei können Jäger eine wichtige Rolle einnehmen.


Schutz- und Vorbeugungsmaßnahmen

– Grundsätze der Hygiene einhalten: Händewaschen nach Kontakten, Küchenhygiene usw.

– Beim Hantieren mit und Auswerfen von Hasen sollten Handschuhe getragen werden.

– Bei fieberhaften Erkrankungen und im Artikel angeführten Symptomen nach Umgang mit Hasen: Erwähnung des Hasenkontaktes bei Arzt-/Klinikbesuchen!

– Krankhafte Veränderungen bei Feldhasen sollten diagnostisch abgeklärt werden, auch um Wissen über die regionale Verbreitung von Zoonoseerregern zu erlangen.

– Wegen der Übertragbarkeit durch Zecken: Reduktion des Zeckenbefalles über Repellentien.

– Verzicht auf „rosa“ Hasenrücken.

– Wegen der Übertragungsmöglichkeiten von Krankheitserregern über die Luft ist starke Staubentwicklung aus dem Balg durch Anfeuchten des Balges zu vermeiden.

– Vermeiden eigenartiger „Bräuche“, wie das Apportierenlassen von Hasen durch Jungjäger beim Schüsseltrieb.

 

Dr. Armin Deutz