Aufgrund der aktuellen Bedrohungslage trainieren Soldaten zurzeit auch im freien Gelände, wo sie auf Jäger treffen können. Solche Übungen werden allerdings zeitgerecht angekündigt. Bei Missverständnissen hilft ein sachliches Gespräch oder die örtliche Polizei.
Vor einigen Wochen in einem Revier in Kärnten: Im letzten Büchsenlicht hört eine erfahrene Jägerin, wie es wiederholt im nahen Unterholz knackt. Dunkle Silhouetten von Männern sind schemenhaft vor dem Licht des Waldrandes zu erkennen. Sie kommen langsam näher. Wenige Zeit später schießt die Jägerin. Es herrscht Durcheinander. Keiner ist verletzt. Die dunklen Männer geben sich als deutsche Soldaten zu erkennen. Sie üben gemeinsam mit dem Bundesheer. Die Polizei kommt, spricht über die Jägerin ein Waffenverbot aus.
Der aktuelle Fall in Kärnten, der letztendlich glimpflich ausging, juristisch aber noch nicht abgeschlossen ist, bietet eine gute Gelegenheit, einen genauen Blick auf die Partnerschaft der Jägerschaft mit dem Bundesheer zu werfen und Fragen zu beantworten, die sich die Jägerin oder der Jäger stellen kann, wenn er im Revier auf Soldaten trifft.
David Flicker ist seit neun Jahren Jäger, wöchentlich mit seinem Weimaraner-Rüden „Jaro“ im obersteirischen Mürzzuschlag auf der Pirsch – und er ist zugleich Hauptmann beim Bundesheer. Er ist Kommandant von etwa 100 Berufssoldaten und Grundwehrdienern. Zum Verhältnis Jägerschaft und Bundesheer sagt er: „Ich nehme als Jäger und Offizier wahr, dass sich Soldaten und Jäger im Revier partnerschaftlich auf Augenhöhe begegnen. Ein Fall wie kürzlich in Kärnten, bei dem eine Jägerin schoss, ist die absolute Ausnahme und darf nicht vorkommen. Da gab es wohl Missverständnisse, die sich leicht hätten vermeiden lassen.“ Flicker wird konkret und spricht die Praxis des Bundesheeres an, Übungen, die außerhalb von Bundesheer-Übungsplätzen stattfinden, anzukündigen. Dazu holt das Heer die Erlaubnis der betreffenden Grundstückseigentümer ein, spricht Details wie Dauer und genaue Übungstätigkeit ab. Im nächsten Schritt informiert das jeweilige Kommando mehrere Wochen vor Übungsstart alle betreffenden Gemeinden. Diese kündigen dann an ihrem jeweiligen Schwarzen Brett das Bundesheer-Training detailliert an. Flicker dazu: „Als Offizier kann ich sagen, dass es dem Bundesheer wichtig ist, dass hier alle gesetzlichen Bestimmungen eingehalten werden. Da haben wir Soldaten genaue Abläufe, die einzuhalten sind, um die Öffentlichkeit frühzeitig über Übungen im ‚freien Gelände‘ zu informieren. Denn wir wissen, oftmals kommt es bei solchen Trainings zu lauten Szenen durch Gefechte zwischen den Soldaten mit Übungsmunition. Daher soll jeder in der Region informiert sein, dass es sich dabei um eine Heeresübung handelt. Jeder soll entsprechend aufmerksam sein, um Unfälle zu vermeiden.“ Dazu Flicker weiter: „Als Jäger mache ich es vor dem Gang ins Revier immer so, dass ich mich bei der betreffenden Gemeinde erkundige, ob mich militärische Überraschungen im Wald erwarten. Sollte ich Genaueres zur Übung wissen wollen, dann finde ich dort auch den jeweiligen Ansprechpartner.“ Flicker spricht den gesetzlichen Auftrag der Soldaten an, sich auf alle erdenklichen Bedrohungsszenarien vorzubereiten. Flicker weiter: „Grundsätzlich üben wir Soldaten auf den Truppenübungsplätzen des Heeres. Da können wir robuste Techniken wie Sprengen, Scharfschießen mit der Pistole bis hin zum Artilleriegeschütz oder auch Panzerfahrten abseits von Straßen trainieren. Auch den Kampf in Ortschaften üben wir Soldaten dort. Dafür sind die Übungsplätze vorgesehen. Da stören wir mit unseren oft lauten, teils durchaus gefährlichen Übungsinhalten niemanden.“ Warum trainieren die Soldaten dann dennoch abseits von Übungsplätzen in bewohnten Ortschaften und im Wald? Der Offizier erklärt: „Der Krieg in der Ukraine zeigt ganz klar, dass wir Soldaten auch Szenarien üben müssen, für die Übungsplätze nicht geeignet sind. Damit wir Soldaten Österreichs Bevölkerung gegen Angriffe von außen schützen können, müssen wir auch dort trainieren, wo sich die Bevölkerung befindet, und das ist eben nicht auf den Übungsplätzen. Daher üben wir auch in bewohnten Ortschaften, bei Elektrizitätswerken oder auch in Wäldern und auf Bergen – eben überall dort, wo wir uns möglichst realitätsnah auf Einsätze vorbereiten können. Unser gesetzlicher Auftrag verlangt das.“
Oberst Pierre Kugelweis, Österreichisches Bundesheer