Jagd heute

Exzellentes Zeugnis für die Jäger!

Neben allem, was Jagd an Vielfalt zu bieten hat, ist sie auch Wirtschaftsfaktor. Ganze Betriebszweige hängen von ihr ab. In dieser neuen Serie sprechen wir ganz exklusiv mit Insidern der Branche, um Ihnen ein aktuelles Lagebild zu verschaffen. Diesmal haben wir mit dem Generaldirektor der Grazer Wechselseitigen Versicherung über Besonderheiten der jagenden Bevölkerung gesprochen.

Jagd heute

 

Herr Generaldirektor, wir leben in bewegten Zeiten. Was sind die großen Herausforderungen für einen Versicherer?

Klaus Scheitegel: Die große Herausforderung für einen Versicherer – wie übrigens auch für die Jägerschaft – 
ist die Klimaveränderung. Das ist das Topic Nummer eins, das Thema Naturkatastrophen. Wir haben im Jahr 2024 in Österreich mit dem Hochwasser in Niederösterreich und auch den starken Niederschlagsmengen in der Steiermark ein großes Thema gehabt. Das wird wieder passieren – wir wissen nur nicht wann oder wo. Nummer zwei ist die Demografie: Junge Leute zu begeistern, in die Arbeitswelt einzutreten. Die gute Nachricht ist, wir werden immer älter – aber das wird etwas kosten. Diese positive Nachricht müssen wir mit den entsprechenden Maßnahmen kombinieren. Das Dritte wäre die Digitalisierung, die ist bei uns eher positiv besetzt.

Was ist da der Gradmesser für Ihre Entscheidungen?

Als Versicherer beobachten wir den gesellschaftlichen Wandel natürlich sehr genau. Wir schauen immer: Wie verändern sich Risken? Manche Risken verschwinden durch den technischen Fortschritt. Ein gutes Beispiel ist das Kfz: Manche Unfallbilder werden verschwinden. Neue Bilder kommen zurück, beispielsweise die verstärkte Bewegung der Menschen am Berg mit Hilfsmitteln wie dem E-Mountainbike. Wir holen jetzt Leute vom Berg, die früher gar nicht raufgekommen wären. Oder auch beim schneearmen Winter, wo Skifahrer auf einen Stein oder Holzpflock stürzen, wo sie bei einem schneereichen Winter in eine Schneewächte gefallen wären. Wenn wir diese Veränderungen zahlenmäßig greifen und analysieren können, reagieren wir darauf.

Wie schätzen Sie in dem Zusammenhang den Jäger als solchen ein?

Der Jäger ist für uns ein sehr vielfältiger Kunde. Es geht dabei zum einen um die Zusammenarbeit von Landwirtschaft, Forstwirtschaft und Jagd, daneben ist der Jäger auch Kulturträger. Er gehört zur Geschichte dazu und unser Haus speziell hat einen sehr positiven Zugang. Unser Gründervater Erzherzog Johann war Jäger! Erzherzog Johann, Jagd und Grazer Wechselseitige – das gehört für uns untrennbar zusammen. 

Der Jäger hat auch eine Bedeutung für den Straßenverkehr, wenn man sich die Wildunfälle anschaut. Wenn wir die Jägerschaft nicht hätten und wenn Abschusspläne nicht eingehalten würden, würden die Wildunfälle noch stärker nach oben schnellen. Hege und Pflege passen mit einer Versicherung gut zusammen, übrigens auch mit der Gesellschaft!

Was sind die Risken bei der Jagd?

Beim Jäger muss man differenzieren. Es gibt einmal den Unfall, der nicht jagdspezifisch ist, ein Unfall, der dir passieren kann, wenn du auf den Berg gehst. Da unterscheidet sich der Jäger nicht vom Wanderer oder Bergsteiger: Lawinenunfälle, Sturzunfälle, Wegunfälle. Das ist nicht jagdspezifisch, außer dass man sagen kann, der Jäger ist halt öfter in der freien Natur als ein anderer. Jagdspezifisch sind dann die Fälle, die in die Weidgerechtigkeit hineinspielen: Verhält sich ein Jäger so, wie er sich verhalten muss? Auch das ist keine große Herausforderung, weil die Jagdausbildung eine gute ist. Ein junger Jäger nimmt außerdem in der Regel kein Gewehr und macht sich allein auf den Weg, sondern er wird angeführt. Die Kombination von Tradition und Erfahrung ist daher eine gute Basis, um Unfällen vorzubeugen. Gemessen an der Vielzahl der Jagdausübenden, sind die echten Jagdunfälle sehr, sehr gering. Man kann von einer sehr hohen Qualität der Jagdausübung sprechen.

Das ausführliche Interview finden Sie in der aktuellen Printausgabe. Kostenloses Probeheft anfordern.

Im Revier

Bau und Standort einer Waldkanzel

Ob für den langen Ansitz auf Sauen oder den Winterfuchs – eine wettergeschützte Kanzel mit etwas Komfort macht die Jagd gleich angenehmer. Die vorgestellte Waldkanzel eignet sich aufgrund der Elementbauweise nicht nur als Kanzel, sondern ebenso als gedeckter Erdsitz. Auch ein notwendiger Abbau oder das Versetzen sind recht einfach möglich.

Im Revier

Waffe, Schuss & Optik

Blaser K95 Ultimate 6,5 Creedmoor: Führiges Leichtgewicht

Wer sein Leben lang mit Repetierern jagt, mag skeptisch sein, was die Praxis-tauglichkeit einschüssiger Kipplaufbüchsen angeht. Lässt man sich aber darauf ein, überwiegen rasch die Vorteile solch eines führigen und gleichzeitig leistungsstarken Gesamtpaketes. 

Waffe, Schuss & Optik

Jagd heute

Sollen wir Tiere töten, um Tiere zu retten?

Artenschutz. Wiesel für Kiwis, Igel für Reiher: Weltweit werden jedes Jahr Millionen  Tiere getötet, um das Aussterben  einer anderen Spezies zu verhindern.  Was wäre die Alternative?

Jagd heute

Pablo Escobar war wahrlich kein Guter. Der mächtigste, reichste und brutalste aller Drogenbarone exportierte nicht nur Kokain aus Kolumbien. Zu seinen kleineren Sünden zählte, exotische Tiere für seinen Privatzoo illegal einzuführen, darunter auch vier Nilpferde. Man ließ sie frei, nachdem die Polizei Escobar 1993 erschossen hatte. Sie ließen sich am Rio Magdalena nieder und pflanzten sich prächtig fort. Die heute rund 150 Tiere verdrängen heimische Otter, Kaimane und Schildkröten, indem sie ihnen die Pflanzen wegfressen. Sie verändern auch den Nährstoffgehalt des Flusses, was giftige Algen wuchern lässt und die Fauna unter Wasser vernichtet. Einen Plan, sie wie ihren einstigen Besitzer abzuschießen, vereitelten Tierschützer. Nun sollen sie nach Mexiko und Indien verfrachtet werden – wo sie ähnliches Unheil anrichten könnten.

Diese Tiere sind zur falschen Zeit am falschen Ort, von Menschen verschuldet. Alles andere als ein Einzelfall: Invasive Arten gehören laut UNO zu den fünf größten Gefahren für die Biodiversität, vor allem auf Inseln, wo die Evolution Sonderwege eingeschlagen hat. Einer führte zum legendären Dodo, der um 1690 von Mauritius verschwand. Der flugunfähige Vogel war weniger das Opfer jagender Europäer als ihrer animalischen Entourage: eingeschleppte Ratten, verwilderte Schweine, frei laufende Katzen. Heute stemmen sich Artenschützer, vor allem Mitarbeiter von Schutzzonen, mit aller Kraft dagegen, dass eine Spezies ausstirbt. Und anders als bei Escobars Flusspferden töten sie dafür in großem Stil. Jedes Jahr werden Millionen Tiere systematisch vergiftet, abgeschossen oder in letale Fallen gelockt, um andere Arten zu retten. Mit der Begründung, dass wir das Problem verursacht haben und die Verantwortung tragen, es zu lösen. Auch wenn wir dafür Gott spielen müssen.

Schockierend? Die Jagd in unseren Breiten folgt einer ähnlichen Rechtfertigung: Weil wir die Fressfeinde der Rehe und Hirsche längst ausgerottet haben, müssen wir nun selbst dafür sorgen, dass die Waldbewohner nicht überhandnehmen. Dabei spielt auch Lust am Jagen und an kulinarischen Genüssen mit. Unter Artenschützern aber "tötet niemand mit Furor oder Frohlocken", schreibt einer, der es wissen sollte. Der britische Ökologe Hugh Warwick hat ein Dutzend solcher Projekte weltweit begleitet, für sein jüngst auf Englisch erschienenes Buch "Cull of the Wild".

 

Mao machte alles schlimmer

Warwick ringt damit, ob er dieses "Keulen" moralisch verdammen oder preisen soll: "Wer eine einfache Antwort auf ein kompliziertes Problem gibt, ist entweder ein Lügner oder ein Narr." Als Igel-Experte war er selbst involviert, als man auf Uist der eingeschleppten Stacheltiere Herr werden wollte. Sie fressen allzu gern die Eier von Reihern, für die das schottische Archipel eines der wichtigsten Brutgebiete ist. Das Projekt misslang, auch weil man sich zu lang stritt, ob man die Igel nun töten oder aufs Festland verfrachten sollte. Aber ist das nicht alles Hybris? Können wir die hochkomplexen Zusammenhänge in Biotopen jemals überblicken? Man denke an Mao, der 1958 die Spatzen zu Staatsfeinden erklärte, weil sie Getreidekörner fressen. Viele Millionen Vögel wurden in ganz China abgeschossen. Sie hatten ihren Nachwuchs mit Insekten gefüttert, die sich in der Folge stark vermehrten und durch die Reisplantagen fraßen. Eine schreckliche Missernte war die Folge, es gab mehr statt weniger Hunger. Ein Menetekel?

Ökologen sind heute besser in der Lage, die Folgen von Eingriffen abzuschätzen. Und zumindest kurzfristig sind fast neun von zehn Massentötungen von Wildtieren erfolgreich. Damit erscheint auch das größte dieser Projekte nicht unrealistisch: "Predator Free 2050". Vor acht Jahren beschloss die Regierung Neuseelands, bis zur Jahrhundertmitte fünf invasive Säugetierarten gänzlich zu vertilgen: Ratten, Frettchen, Wiesel, Hermeline und Opossums. Sie fressen pro Jahr 25 Millionen einheimische Vögel und bedrohen damit viele Arten, auch das Nationalsymbol, den Kiwi. Zurückgedrängt sollen auch Igel, Kaninchen und wild lebende Katzen werden. Alle diese Arten wurden im 19. Jahrhundert eingeschleppt. Der Effekt war verheerend, weil es auf Neuseeland ursprünglich gar keine landlebenden Säugetiere gab und die einheimische Fauna den neuen Fressfeinden schutzlos ausgeliefert war.

Warwick beschreibt auch die britische Jagd auf Nerze (zugunsten der Wasserwühlmaus), auf Waschbären auf kanadischen Inseln (zur Rettung von Seevögeln) oder auf Riesenkröten in Australien (zum Schutz des Zwergbeutelmarders). Er hofft auf sanftere Methoden wie Eingriffe mit der Genschere, um die Fruchtbarkeit zu drosseln. Aber er wird das Gefühl nicht los, dass die Bevorzugung einer Spezies oft etwas Willkürliches hat, von subjektiver Vorliebe zeugt. Tierschützer erinnern daran, dass schon moderne Landwirtschaft und Verbauung den Wildtierbestand drastisch dezimiert haben. Tiere müssten nun als Sündenböcke herhalten, weil sie einer Spezies, die wir schon fast verdrängt haben, den Todesstoß versetzen. Die Zerstörung von Habitaten rückgängig zu machen, wird nun in der EU mit dem Renaturierungsgesetz zumindest versucht.

 

Systeme statt Arten schützen

Die interessanteste Kritik kommt in Warwicks Buch von einem systemisch denkenden Umweltschützer.

Er argumentiert: Arten kommen und gehen, das war schon immer so. Auf längere Sicht stelle sich immer ein neues Gleichgewicht ein. Entscheidend sei, dass ein Ökosystem als Ganzes weiter funktioniert: dass es CO2 absorbiert, Sauerstoff herstellt, Wasser reinigt und einen Nahrungskreislauf ermöglicht. Den meisten Menschen ist eine einzelne Spezies ziemlich egal, sie brauchen zu essen, einen guten Ort zum Leben und sauberes Wasser. Artenschützer sollten sich damit abfinden, dass wir einige Arten verlieren und andere nur noch im Zoo bestaunen können, statt sie unter immensen Kosten und mit moralisch fragwürdigen Mitteln zu retten, "nur um sich besser zu fühlen". Klingt vernünftig. Bis man wieder die Bilder sieht: vom Kiwi, vom Dodo, von der reizenden Wasserwühlmaus. Die Fragen bleiben offen, das Gefühl der Verantwortung werden wir nicht los. Und das ist wohl auch gut so.

MMag. Karl Gaulhofer ist Ressortleiter "Feuilleton" der Tageszeitung "Die Presse", 
wo dieser Artikel am 21.6.2024 erschienen ist.