Sind Auer- und Haselhühner Kulturflüchter?

Längst nicht alle Wildtiere, die beim Erscheinen des Menschen die Flucht ergreifen, sind Kulturflüchter. Gleiches gilt für jene, die für die meisten Leute nur schwer zu beobachten sind, wie Auer- und Haselwild. Viele Arten profitieren vom Menschen und dessen Aktivität.

Manchmal frage ich im Lehrgang für die Jägerprüfung nach Kulturflüchtern und Kulturfolgern. Mit Letzteren tun sich die Gefragten sichtlich leichter, denn zumindest das Schwarzwild fällt den meisten ein. Das ist nicht verwunderlich, denn Reportagen über das Schwarzwildproblem in Berlin hat wohl jeder schon gesehen. Immerhin ist das seit vielen Jahren ein Thema. Bohrt man weiter, zeigen die meisten Anwesenden eine gewisse Unsicherheit. Der eine oder andere schiebt dann, meist in fragendem Unterton, den Fuchs nach. Wird der als richtig bestätigt, kann auch noch der Waschbär folgen.

Bei den Kulturflüchtern wird hingegen so ziemlich alles aufgezählt, was die Anwesenden dem Namen nach kennen. Bei ihrer Meinungsfindung standen viele Medien, Lieder, Geschichten und Sprüche Pate. Erinnert sei nur an das „scheue Reh“, das getroffen war und sterbend dalag, ein Lied, das nahezu jeder ältere Mensch schon einmal erleiden musste, der in früheren Jahren zur Teilnahme an einem Betriebsausflug verdammt war. Nun sehen viele Zeitgenossen eher selten ein Reh und wenn, dann häufig flüchtig – also ein „Kulturflüchter“! Tatsächlich ist das Reh ein absoluter Kulturfolger, auch wenn es an Großstädten deutlich weniger Gefallen findet als Schwarzwild, Waschbär oder Fuchs. Trotzdem kommt es mit lockerer, zaunarmer Bebauung besser zurecht als mit wirklich großen, vom Menschen eher sparsam genutzten Wäldern.

Es scheint ganz einfach so zu sein, dass man häufig gesehene Tiere oder solche, von denen die Medien berichten, dass sie auch mit urbanen Räumen zurechtkommen, zu den Kulturfolgern zählt. Wer nur selten oder nie gesehen wird, ist folglich Kulturflüchter. Zu den Arten, die auch von Jägern sehr selten in freier Wildbahn gesehen werden, gehören sicher Auer- und Haselwild. Die Zahl der Jäger, die diesen Waldhühnern überhaupt nie begegnen, ist groß!

Würde man die eingangs im Vorbereitungskurs gestellte Frage am Jägerstammtisch stellen, würden die Waldhühner wahrscheinlich von der Mehrheit der Anwesenden den Kulturflüchtern zugeordnet. Doch stimmt das auch?

 

Den vollständigen Artikel von Bruno Hespeler finden Sie in der Juli-Printausgabe – kostenloses Probeheft anfordern.