Keimruhe – seit 1843 bekannt

 

Lange konnte man sich das Phänomen der Keimruhe nicht erklären. Heute weiß man, dass die Rehe mit der in den Sommer vorgelagerten Brunft hinterher erneut Kondition für den Winter aufbauen können. 

Die 41-seitige wissenschaftliche Abhandlung des Arztes Louis Ziegler mit dem Titel „Beobachtungen über die Brunft und den Embryo der Rehe – ein Beitrag zur Lehre von der Zeugung für Physiologen und naturforschende Jäger“ ist spannend und auch unterhaltsam zu lesen. Bis zu dieser umfangreichen Untersuchung gingen Jäger und auch Naturwissenschaftler davon aus, dass die Brunft der Rehe im Dezember stattfinden müsse, da ein so kleines Säugetier doch keine mehr als 20-wöchige Tragzeit haben könne. Aber schon vorher gab es Verfechter der Augustbrunft, nur konnten bis Anfang Jänner niemals Em-bryonen in der Gebärmutter von Rehgeißen entdeckt werden. Hauptsächlich Beobachtungen von Rehgeißen in Gattern, denen nur im Juli/August Böcke ins Gatter hinzugegeben wurden, oder in Gattern, wo der Bock dann im Herbst verendete und Geißen trotzdem im nächsten Jahr Kitze (in der Arbeit von Ziegler noch als „Kälbchen“ bezeichnet) setzten, ließen Zweifel am Brunfttermin Dezember aufkommen. Eine zahme Rehgeiß wurde nur im August ausgelassen, dann wieder eingefangen und „auf das sorgfältigste bewacht“ – auch sie setzte im nächsten Juni ein Kitz. Eine „gezielte Paarung“ erfolgte dann noch mit einem handaufgezogenen weiß gescheckten Rehbock, der einer zahmen Rehgeiß nur wenige Tage im August zugesetzt wurde und wo auch mehrmals ein Beschlag zu beobachten war –
die Geiß setzte im nächsten Jahr ein normalfärbiges und ein weiß geschecktes Kitz. Schon 1825 gab es dann Mutmaßungen, dass die Sommerbrunft wohl fruchtbar sei und dass der Keim bis Dezember „schlummere“, nur Beweise konnten nicht geliefert werden.