(Un)geliebtes Schwarzwild
In klimatisch günstigen Lagen ist mittlerweile schon in jedem Monat des Jahres mit Würfen beim Schwarzwild zu rechnen. Auch „Kinder bekommen schon Kinder“, das heißt, führende Frischlingsbachen sind keine seltene Ausnahme mehr. Während sich einige noch dem Lüneburger Modell der Schwarzwildhege verpflichtet sehen, fordern andere vor dem Hintergrund der Afrikanischen Schweinepest eine Reduktion des Schwarzwildes um 70 %!
Schwarzwild hat von allen Paarhufern weltweit die höchste Fortpflanzungsrate, betreibt intensive Jungtierfürsorge, ist frühreif und lebt in matriarchalen Strukturen mit generationenübergreifender Weitergabe der Erfahrungen. Mittlerweile ist in Gunstlagen schon in jedem Monat des Jahres mit Würfen zu rechen und Frischlinge können mit sieben Monaten schon selbst wieder trächtig werden. Wildschweine verfügen über gute Voraussetzungen, neue Lebensräume zu erobern, was in den letzten beiden Jahrzehnten im Alpenraum oder auch in Großstädten geschehen ist und weiter geschieht. Ursprünglich war Schwarzwild in Europa, Asien und Nordafrika verbreitet und wurde später außer in der Antarktis auf allen Kontinenten als Jagdwild ausgewildert. In vielen Ländern kam es auch zu zufälliger oder gewollter Kreuzung zwischen Wild- und Hausschweinen. In Amerika wird mittlerweile zur „Bekämpfung“ solcher Hybride, welche in der Landwirtschaft massive Schäden anrichten, Gift (Natriumnitrit) eingesetzt. Wildschweine wurden übrigens schon vor über 10.000 Jahren in Europa, China und dem Vorderen Orient zum Hausschwein domestiziert.
Seit rund 20 Jahren wird Murau, ein relativ hochgelegener steirischer Bezirk (nur rund 10 % der Bezirksfläche liegen unter 1.000 m Seehöhe), von Schwarzwild besiedelt, einhergehend mit massiven Grünlandschäden besonders auf (Alm-)Weideflächen. In diesem Zeitraum wurden 145 Sauen erlegt (28 davon im Vorjahr). Interessant dabei ist das Geschlechterverhältnis: 75 % männlich und 25 % weiblich. Vorwiegend Überläuferkeiler sind einzeln oder in kleinen Rotten als Pioniere unterwegs und im neuen Lebensraum auch leichter zu erlegen, nachkommende (führende) Bachen sind vorsichtiger.
Einige rüsseltragende Tiere, bei uns Wildschwein und Maulwurf, haben in der Verlängerung des eigentlichen Nasenbeines einen verknöcherten Knorpel, das Rüsselbein (Os praenasale). Obwohl eine hochinteressante körperliche Anpassung an das Wühlen im harten Boden, gibt es zu diesem Knochen nur wenige anatomische oder physiologische Abhandlungen. Auf der Suche nach Krokusknollen oder Hirschtrüffeln wirkt das Rüsselbein wie ein Pflug und verbunden mit der enormen Körperkraft des Schwarzwildes erklären sich auch die tiefen Bodenverwundungen.