Monitoring oder Wildkameraflut?

In unserer Gemeindejagd jagen Freizeitjäger und wir haben fast nur Schutzwald und einen großen Rotwildeinfluss. Seit mehreren Jahren laufen bereits Bemühungen, das Rotwild zu reduzieren. Die anfänglich sehr erfolgreiche Reduktion des Rotwildbestandes droht ins Stocken zu geraten. Seit ich in dieser Gemeindejagd mitjagen darf, stelle ich mir die Frage, warum unser Rotwild nachtaktiv ist und wie man die bei uns bestehenden Zusammenhänge zwischen Forstwirtschaft, Jagd, Wild und Freizeitnaturnutzern besser verstehen könnte. Mit einem Monitoring – einer Langzeitbeobachtung – habe ich Daten gesammelt und versucht, Antworten auf diese Fragen zu erhalten. 

Dabei war mir klar, dass eine quantitative Erfassung der Freizeitaktivitäten praktisch nicht möglich sein würde, denn man kann aus Datenschutzgründen die Wege und Steige nicht mit Kameras überwachen. Mein Ansatz war es, mit einem großflächigen Monitoring die Wildaktivitäten über mehrere Jahre zu erfassen und parallel dazu Wetterdaten und Daten über die Aktivitäten von uns Jägern zu sammeln, um später daraus indirekt auch über den Einfluss der Freizeitnaturnutzung Informationen zu gewinnen. 

Für das Monitoring des Wildes habe ich mehrere Wildkameras verwendet und im Revier aufgestellt. Dabei wurden die Standorte mit Bedacht gewählt, um keine einseitigen Daten zu erhalten. Unser rund 1.000 Hektar großes Revier reicht von der Sonnseite über den Talboden mit der Ortschaft bis in die schattseitig gelegenen Hochlagen. Neben den Daten aus den repräsentativ gut im Revier verteilten Wildkameras habe ich bei meinen zahlreichen Pirschgängen auch alle Beobachtungen und Erlegungen sowie die Aktivitäten der Freizeitnaturnutzer genau dokumentiert. Dabei wurden bei jeder einzelnen Beobachtung die Stückzahl, die Wildart, das Geschlecht und die Altersklasse festgehalten. Auf diese Weise sind in einer Saison Daten von rund 1.500 Einzelbeobachtungen gesammelt worden. 

Es zeigte sich, dass wir in unserer Gemeindejagd jahreszeitlich sehr stark schwankende Rotwildbeobachtungen haben. Besonders in den Wintermonaten und im zeitigen Frühjahr ergab das Monitoring eine deutliche Zunahme der Rotwildsichtungen. Mithilfe von 24-Stunden-Diagrammen wurde versucht, die Tag-/Nachtaktivität der Wildarten darzustellen. Gerade dafür eignen sich Wildkameradaten besonders gut, denn die Geräte arbeiten ohne Störung des Wildes verlässlich rund um die Uhr.

 

 

Die Aktivitätskurven des 24-Stunden-Diagramms habe ich für jede Wildart monatlich erstellt und dabei zeigte sich rasch, dass es tagsüber beim Rotwild besonders in den Sommer- und Herbstmonaten nur wenige Aktivitätsschübe gab, während bei dieser Wildart im Dezember 2016 auch tagsüber bei gutem Schusslicht eine zweistellige Beobachtungsanzahl registriert werden konnte. Im Dezember 2016 habe ich die meisten Rotwildbeobachtungen aller Monate mit Bejagung verzeichnen können und auch der Anteil der Rotwildaktivitäten bei gutem Schusslicht war in diesem Monat deutlich höher als in den Monaten davor.

Im Sommer und Herbst, wo tagsüber kaum ein Stück Rotwild beobachtet werden konnte, herrschte ein sehr geringer Jagddruck. Im Dezember 2016 haben wir aber mit zwei großen Bewegungsjagden mit Hunden, mit einem Sammelansitz und mit vielen Einzelansitzen den größten Jagddruck aller Monate erzeugt. Wie kann es sein, dass im Monat mit dem größten Jagddruck die höchste Tagaktivität beim Rotwild registriert wurde?

Mir stellt sich die Frage, ob dann der Jagddruck bei uns überhaupt als Hauptursache für die Verlagerung der Rotwildaktivitäten in die Nachtzeiten gesehen werden kann. Die Daten aus dem Rotwildmonitoring, Wetterdaten und unsere jagdlichen Aktivitäten sind also bekannt. Es bleibt eigentlich nur noch die Frage, welchen Einfluss die Aktivitäten der Freizeitnaturnutzer auf unser Rotwild haben. Diese Aktivitäten lassen sich, wie erwähnt, aus rechtlichen Gründen nicht genau messen. Wenn man aber die Aufzeichnungen über die im Revier angetroffenen Autos, Berggeher, Schwammerlsucher, Mountainbiker und Motocrossakivisten heranzieht, kommt man rasch zum Ergebnis, dass im Sommer und besonders im September 2016 eine hohe Zahl von Freizeitnaturnutzern unser Revier frequentierte, wovon hauptsächlich die Hochlagen betroffen waren.

Im September 2016 waren zwischen 8 Uhr und 18 Uhr keinerlei Aktivitäten beim Rotwild zu registrieren, obwohl im September annähernd gleich viele Stücke beobachtet wurden wie im Oktober und November. Das Rehwild zeigte sich wie erwartet gegenüber dem „Besucherdruck“ weniger empfindlich. Beim Rehwild gab es tagsüber im September sehr wohl Aktivitäten. 

Die Daten aus einem Jahr Monitoring legen den Schluss nahe, dass in unserer Gemeindejagd eher der Druck durch die vielen Freizeitnaturnutzer und nicht der Jagddruck hinter der zunehmenden Nachtaktivität des Rotwildes steckt.

Um gesicherte Aussagen ableiten zu können, ist mein Monitoring über einen zu kurzen Zeitraum gelaufen. Mit einem Monitoring über einen längeren Zeitraum von zum Beispiel drei Jahren könnte man sicher gute und sachliche Argumente für die Diskussion über Wald, Wild und Freizeitnaturnutzung erwarten.

Ein Monitoring ergibt für uns Jäger zahlreiche und objektive Daten über die Beobachtungshäufigkeit unserer Wildarten, die Altersstruktur und das Geschlechterverhältnis. Es kann auch verstehen helfen, wie sich unsere Jagdmethoden und andere Einflussfaktoren auf die Sichtbarkeit der einzelnen Wildarten auswirken.

 


Der Autor DI Andreas Palatin, Jahrgang 1963, ist Diplomingenieur für Forstwirtschaft und betreibt in Obervellach, Bezirk Spittal an der Drau ein Ingenieurbüro.