Im Revier

Jagd auf Feldrehe im Jahreslauf

Selbst in den weiten, waldfreien Agrarsteppen mit intensiver Landwirtschaft findet Rehwild Lebensraum. Feldrehe leben dort ganzjährig in der Feldflur und sind vielerorts das einzige Jagdwild. Ihre besonderen Lebens- und Verhaltensweisen wirken sich insbesondere auch auf die Jagd aus.

Im Revier

Jagd heute

Das Wesen der Jagd

Die Reduktion der Jagd auf Notwendigkeit und Nützlichkeit verfehlt nicht nur das Wesen der Jagd, sondern reduziert auch den Menschen radikal, meint Christian Germuth. 

Jagd heute

Die Jagd ist wesentlich von drei Aspekten bestimmt. Erstens ist der Mensch legitimiert, Tiere zu töten, weil wir von Natur aus Fleisch- bzw. Allesfresser sind, die ihre Beute erjagen. Das zeigt sich einerseits an den Zähnen, der Mensch hat scharfe Vorderzähne und Eckzähne, um Beute zu fassen; andererseits an der Augenstellung: Die Jäger (Fuchs, Adler) haben parallel stehende Augen, die es erlauben, auch in Bewegung scharf zu sehen und Distanzen abzuschätzen, um ihre Beute zu verfolgen und zu fassen. Der menschliche Bauplan zeigt, dass der Mensch dazu bestimmt ist zu jagen. Wenn der Mensch jagt und Tiere tötet, folgt er seiner Bestimmung, bewegt sich in seiner archaischen Spur. Das Töten eines Tieres durch Jagd entspricht daher unserem Bauplan, kann daher nicht per se etwas Schlechtes sein, sondern ist Teil unserer Natur und daher grundsätzlich etwas Gutes. Nur die Art und Weise der Jagdausübung kann unter Umständen ins Schlechte abgleiten, sagt aber nichts über die Sache an sich aus.

Dass Tiere dem Menschen ähnlich sind, was das Empfinden anlangt, mag zutreffen. Aber was besagt das? Der daraus gezogene Schluss, dass wir Tiere nur im Notfall, wenn es nicht anders geht, erlegen dürfen, ist unbegründet und willkürlich. Die Natur zeigt uns etwas ganz anderes: Auch die Jäger unter den Tieren sind hinsichtlich der Schmerzempfindung ihrer Beute ähnlich, dennoch jagen sie ihre Beute und verzehren sie.

Die Natur zeigt uns aber auch eine wichtige Nebenbedingung: nämlich dass man das erlegte Tier nicht einfach wegwerfen darf, sondern dass es verwertet wird, also freilich in erster Linie verzehrt oder aber sein Fell oder Federkleid genutzt wird, und sei es nur, um sich seines Anblicks zu erfreuen. 

 

Die persönliche Motivation

Zweitens: Von der Legitimation zu unterscheiden ist die persönliche Motivation. Meine Motivation ist die Leidenschaft, das Abenteuer, ein Sich-Hineinbegeben in die archaische Spur des Menschen, ein In-Berührung-Kommen mit dem Ursprünglichen. Ich gehe nicht auf die Jagd, um Wildbestände zu regulieren. Ich gehe nicht auf die Jagd wegen des Fleisches. Ich gehe nicht auf die Jagd, um Wildverbiss zu vermeiden. Ich gehe nicht auf die Jagd, weil sie ein Wirtschaftsfaktor ist. Es sind dies alles wichtige Aspekte, sie treiben mich aber nicht um vier Uhr in der Früh aus dem Bett. Ich gehe nur aus Leidenschaft auf die Jagd – die Passion alleine ist meine Motivation. 

Leidenschaft impliziert zum einen die Liebe zu einer Sache und zum anderen auch die Bereitschaft, dafür mit Hingabe zu kämpfen, Strapazen und Leiden auf sich zu nehmen (wie das Wort "Leiden-schaft" schon besagt), auch Tiefpunkte und Enttäuschungen zu überwinden – es ist ein Sich-Hineinbegeben in dieses große Abenteuer mit all seinen Aufsund Abs, mit all seinen Dramen und letztendlich großen Freuden. 

Die Freude über den Jagderfolg ist umso größer, desto schwieriger und dramatischer der Weg dorthin war. Und deswegen freut den Jäger in der Regel auch eine starke Trophäe besonders, weil sie selten ist, von alten, heimlichen Stücken getragen wird, die zu erlegen besonders schwierig ist und viel Geduld erfordert. Ebenso freut sich der Schwammerlsucher besonders, wenn er einmal einen riesengroßen Steinpilz findet, weit mehr als über ein Eierschwammerl. Ich bin auch sehr zurückhaltend, was den Einsatz von Technik anlangt, weil es den Weg zur Beute zwar erleichtert, aber damit letztendlich auch das Abenteuer und die Freude schmälert, deretwegen ich auf die Jagd gehe. 

Weil die Leidenschaft die eigentliche Triebfeder der Jagd ist und nur die Liebe singt (c‘est l‘amour qui chante), gibt es auch Jagdlieder, die aber nur das oben Beschriebene besingen, nie den Abschussplan, die Nachhaltigkeit oder den verhinderten Wildschaden.

Ist Jagd notwendig?

Alleine die Fragestellung verfehlt das Wesen des Menschen von Grund auf. Während das Tier instinktgesteuert nur das für seine Selbsterhaltung Notwendige tut, ist der Mensch – seinerseits mit überschießenden Trieben ausgestattet – darauf programmiert, die Grenze des Notwendigen zu überschreiten, um diesen Raum mit beseelender Leidenschaft zu erfüllen. Wenn wir Essen zubereiten, kochen wir mit Liebe und richten es schön an, es ist viel mehr als bloße Nahrungsaufnahme, um unseren Hunger zu stillen. Das unterscheidet den Menschen wesentlich vom Tier. Wenn man den Menschen darauf reduziert, dass er nur das unbedingt Notwendige darf, dann zieht man den Menschen hinunter auf die animalische Ebene. Auf diese niedrige Ebene der Notwendigkeit/Nützlichkeit lasse ich mir die Jagd nicht herunterziehen. Auch mit der Jagd betritt der Mensch ein Terrain, wo er das Notwendige überschreitet und mit beseelender Leidenschaft erfüllt. 

Max Hinsche schreibt in "Kanada – 
wirklich erlebt", dass er, als er echten Hunger litt und nach Tagen einen Hirsch erlegte, um seinen Hunger zu stillen, gar nichts fühlte und nur über das Tier hergefallen ist. Man erkennt: Die heutige Jagd ist nicht weniger als die ursprüngliche bloße Nahrungsbeschaffung, sondern eigentlich mehr. Der Jäger von heute beseelt das an sich Nützliche mit seiner Liebe und Leidenschaft und vollendet sie so zu etwas Schönem und einem Quell der Freude. Er verleiht ihr erst die Schönheit und das Feierliche und folgt damit letztendlich unserer menschlichen Bestimmung.

Dass den Jäger die Jagd mit wahrer Freude erfüllt, ist auch ein Beleg, dass es im Kern um etwas Gutes geht, denn wahre Freude (nicht Lust) stellt sich nur ein, wenn der Mensch was Gutes tut. Sie ist die Antwort des Menschen auf das Gewahrwerden des Guten. Der Gedanke, die Freude am Erlegen eines Tieres sei verwerflich, ist von daher geradezu pervers und eine radikale Verkennung der menschlichen Natur.

Und für die Leidenschaft und Abenteuer haben die Menschen immer Verständnis, nicht aber für niedrige Nützlichkeiten, Letztere sind immer einer Interessenabwägung und daher letztendlich, wenn andere Interessen überwiegen, auch einer Opferung zugänglich. Deshalb haben auch Sportler immer das Verständnis der Menschen, weil ihre Begeisterung und Hingabe etwas in den Menschen berühren und sie mithineinziehen. Niemand fragt einen Skirennfahrer, ob sein Tun notwendig ist. Die Liebe und Leidenschaft aber berühren den menschlichen Urgrund und sind etwas Existenzielles, das keiner Interessenabwägung zugänglich ist und nie geopfert würde. 

Letzteres übersehen Interessenvertreter, die das Image der Jagd in der Gesellschaft verbessern wollen. Sie genieren sich zu sagen, dass sie aus Leidenschaft jagen, argumentieren mit den Nützlichkeiten der Jagd und haben damit schon verloren. Es ist die Rede von Nachhaltigkeit, Abschussplan, Entnahme, Wildmanagement etc. – wessen Herz berührt das? Niemandes! Es reduziert die Jagd auf nützliche Nebeneffekte und übersieht den eigentlichen Kern.

 

Die transzendente Dimension

Drittens: Neben der Legitimation und Motivation gibt es noch ein weiteres, ein Alleinstellungsmerkmal der Jagd, das von den meisten übersehen wird: die transzendente Dimension. Diese findet sich von Anfang an, wenn die Schönheit des Naturschauspiels den Jäger die Zeit vergessen lässt, ihn von der Zeit entrückt, es ist beschaulich. Weiters ist sich der Jäger immer auch dessen bewusst, dass der Jagderfolg nicht allein in seiner Macht steht ("Es hat nicht sollen sein"), er sich Beute nicht einfach nehmen kann. Der Jagd-erfolg ist immer wieder ein (Überraschungs-)Geschenk, das einem gegeben wird, von dem der Jäger nicht weiß, wann es denn kommt, und auf das geduldig zu warten der Jäger bereit sein muss. Und hier spielt auch wieder die Seltenheit eine Rolle: Je seltener das Geschenk ist, desto mehr Freude bereitet es dem Beschenkten, inflationäre Geschenke erfreuen nicht mehr. Deswegen zögern vielen Jäger intuitiv, zu viel Technik wie Wild- und Wärmebildkameras einzusetzen, weil es den Radius des Beherrschbaren zwar vergrößert, der Beute aber den Geschenkcharakter und so der Jagd diesen gleichsam weihnachtlichen Zauber nimmt.

Aber ein Tier zu erlegen, eröffnet dann noch einmal eine ganz andere Dimension: Der Tod berührt den Jäger – und der Jäger berührt die Ewigkeit. Das Verweilen an der erlegten Beute lässt den Jäger innehalten, ergriffen sein, nachdenken über die Rolle des Menschen in der Natur, Respekt zollen, sich beschenkt fühlen, dankbar sein, manch gläubiger Jäger spricht vielleicht ein Gebet. Der Moment des Verweilens am erlegten Tier hat etwas Intimes, etwas Existenzielles. Es ist dies ein transzendenter Moment mit starkem Nachhall. Deswegen werden diese Momente und das Danach auch feierlich begangen. Der Jäger kommt mit etwas Größerem in Berührung, ein Phänomen, das in dieser Art keiner anderen Tätigkeit innewohnt, es ist ein Alleinstellungsmerkmal der Jagd, das die Jagd von allen anderen Hobbys und auch vom Sport wesentlich unterscheidet.

Von daher erklärt sich auch, warum das Sinnlich-Ästhetische eine große Rolle spielt bei der Jagd: Auf schöne äußere Form wird immer dann Wert gelegt, wenn der Mensch feiert – und genau das tut der Jäger, wenn er etwas erlegt hat. Daher kommt auch der Umgang mit dem erlegten Wild, dieser Respekt und die Feierlichkeit, es hat etwas Sakrales. Das ist auch der Grund, warum sich um die Jagd eine Kultur entwickelt hat, mit Liedern und einem Zeremoniell – wie bei einer Messe. 

Funktionskleidung, Military-Look, Kunststoffgewehre, das Reh superhygienisch aufbrechen, Hygienehandschuh, keine Tannenzweige reinstecken etc. mögen zwar alle ihre Berechtigung im Hinblick auf ihre Nützlichkeit haben – damit wird aber das Sinnlich-Ästhetische und Feierliche sehr in den Hintergrund gedrängt, ja sogar geopfert, und mit ihm dieses In-Berührung-Kommen mit der transzendenten Dimension.  

Die Reduktion der Jagd auf Notwendigkeit und Nützlichkeit verfehlt nicht nur das Wesen der Jagd, sondern reduziert auch den Menschen radikal, denn sie verkennt, was uns Menschen wesentlich ausmacht: Es ist unser Wesen, das Notwendige und Nützliche zu überschreiten, unsere ganze Leidenschaft hineinzulegen, bereit zu sein, mit aller Hingabe zu kämpfen, dennoch geduldig zu sein, zu hoffen, beschenkt zu werden mit großer Freude und die Ewigkeit zu berühren – das alles verwirklicht der Mensch, wenn er jagt. 

Im Revier

Lebt der Gams der Zukunft in Südfrankreich?

Unsere alpinen Lebensräume sehen einem Wandel entgegen. Die Erderwärmung schreitet in den Alpen doppelt so schnell voran wie im Rest der Nordhalbkugel, mit Auswirkungen auf das Klima, den Bewuchs und die Bewirtschaftung. Wie kann nun eine angepasste Hochgebirgsart wie der Gams auf diese Änderungen reagieren?

Im Revier

 

Mit 1,8 Grad über dem Durchschnitt war 2024 mit Abstand das heißeste Jahr in der Messgeschichte Österreichs. Die Bedeutung dieses Rekords wird deutlich, wenn man sich das internationale Zwei-Grad-Ziel vor Augen hält, das bei der Klimakonferenz 2010 anerkannt wurde, um die Folgen für Mensch und Umwelt noch in Schach zu halten. Was 2024 Rekord war, wird 2025 bereits in den Schatten gestellt, mit dem neuen Rekord des heißesten Jänners sowie einem generell außerordentlich warmen Frühjahr. Wie sich das Jahr noch entwickeln wird, weiß niemand, aber die Zeichen stehen auf Hochkurs. Besonders stark wirkt sich die Erderwärmung in den Alpen aus, in denen der durchschnittliche Temperaturanstieg fast doppelt so hoch ausfällt wie im Rest der Nordhalbkugel. Das betrifft vor allem die alpine Flora und Fauna, die für ihr bisheriges Überleben an die aktuellen klimatischen Bedingungen im Hochgebirge angepasst sind. 

Der Gams ist eine solche Art. Obgleich das Hauptverbreitungsgebiet in den Alpen liegt (besiedelt durch die Unterart der Alpengämse), gibt es etablierte Vorkommen in deutlich heißeren und trockeneren Gebieten, wie etwa auf dem Balkan (besiedelt durch die Unterart Balkangämse) oder den Pyrenäen (besiedelt durch die Schwesternart Pyrenäengämse). Die Besiedelung dieser Lebensräume lässt bereits vermuten, dass der Gams grundsätzlich nicht ausschließlich auf kalte Lebensbedingungen angewiesen ist. Gleichzeitig ist anzunehmen, dass besonders für Habitatspezialisten wie Gämsen die genetische Anpassung an die lokalen Bedingungen von hoher Relevanz für das langfristige Überleben ist. Wichtige Anpassungen beschränken sich dabei nicht nur auf Hitze und Trockenheit, sondern auch auf die dadurch veränderte Nahrungsverfügbarkeit mit anderen Pflanzen und weitere Faktoren, wie beispielsweise Viren. Vor diesem Hintergrund stellt sich in der Wildbiologie seit einiger Zeit die Frage, ob nun die aktuellen Gamspopulationen in den Alpen in der Lage sind, mit den sich rasant ändernden Umweltbedingten zurechtzukommen. 

 

Alpenweite Gams-Genetik 

Die Wildtiergenetik kann hier Antworten liefern. Bereits seit Längerem gibt es große Bemühungen, die internationale Gams-Genetik aufzuarbeiten. In einer neuesten Studie aus der Schweiz konnten nun Proben aus dem gesamten Alpenraum genetisch untersucht werden. Dabei kommen inzwischen vielfach sogenannte SNPs (ausgesprochen Snips) zum Einsatz. Diese genetischen Marker sind vergleichbar mit den bekannteren Mikrosatelliten, obgleich weniger variabel, dafür aber insgesamt zahlreicher. 

Betrachtet man die alpenweite Verbreitung, so lässt sich sagen, dass die Gämsen der Nordostalpen alle zu derselben größeren genetischen Gruppe gehören. Vermutlich gibt es genug Austausch zwischen den einzelnen Teilpopulationen, sodass es bisher zu keinen Isolationseffekten kam. Interessant wird die Sache allerdings bei den Gämsen der Südalpen – die sind nämlich eindeutig unterschiedlich! Der Grund dafür liegt vermutlich in der Rekolonialisierung nach der letzten Eiszeit. Nach dem Abschmelzen der Eiskappen auf den Alpen sind Gämsen vermutlich aus zwei Refugialgebieten wieder eingewandert, das sind die Gebiete, die während der Eiszeit vom Eis frei geblieben sind. Gämsen aus den Dinaren beziehungsweise dem Balkan haben vermutlich die Ostalpengruppe gegründet, während Gämsen von der Iberischen Halbinsel die Südalpen wiederbesiedelt haben. Die aktuelle Kontaktzone dieser beiden Gruppen wird um das Rhonetal herum angenommen. Diese genetischen Ergebnisse sind für sich schon interessant, geben sie uns doch Aufschluss über die bewegte Geschichte der Gämse. Die Ostalpengruppe war zudem wohl deutlich erfolgreicher in der Wiederbesiedelung, wenn man deren Verbreitung betrachtet. 

Umso spannender sind die Implikationen, die sich aus diesen Ergebnissen für die Zukunft der Gämsen ergeben. Die Analysen belegen, dass die Gämsen der Südalpen – vor allem die Gämsen südlich des Maurienne-Susatals – eindeutig eigene genetische Merkmale tragen. Da bei der Schweizer Untersuchung genetische Analysen zum Einsatz kamen, die das gesamte Genom untersuchen, ist nicht auszuschließen, dass es in der Südalpengruppe lokale Anpassungen an das grundsätzlich trockenere und heißere Klima gibt. Vor dem Hintergrund der klimatischen Veränderung in den Alpen könnten diese Gämsen Anpassungen tragen, die in wenigen Jahrzehnten im ganzen Alpenraum unbedingt notwendig sind. Während unsere aktuellen Bestände sehr gut an das vergangene Klima angepasst sind, leben in den südfranzösischen Alpen vielleicht die Gämsen der Zukunft!

Den ausführlichen Beitrag von Florian Kunz finden Sie in der aktuellen Printausgabe. Kostenloses Probeheft anfordern.

Jagd heute

Keine Kompromisse!

Vor sechs Jahren ist Robert Artwohl mit dem Anspruch an den Start gegangen, die weltbesten Zielfernrohre zu bauen und das bestmögliche Service dafür anzubieten. Mittlerweile verwenden zahlreiche Top-Schützen Zielfernrohre von Zero Compromise – hergestellt unweit von Wien.

Jagd heute

Die Digitalisierung wirkt sich nicht unbedingt positiv auf die Nachfrage nach analoger Jagdoptik aus. Wieso haben Sie es dennoch gewagt, gerade jetzt mit neuen Zielfernrohren auf den Markt zu kommen? 

Robert Artwohl: Ich bin seit 2009 in dieser Branche und durfte für die Swarovski-Familie den weltältesten Zielfernrohrhersteller der Welt, die Firma Kahles, sanieren. In dieser Zeit habe ich die Liebe zu diesen Produkten und diesem Markt kennengelernt und weltweit ein Riesennetzwerk an Vertriebspartnern, Presseleuten und Kunden aufgebaut. Mit zwei meiner wichtigsten Mitarbeiter damals habe ich mich zusammengetan: Markus Umlauf als Chefentwickler und Techniker von Kahles als auch Jeff Huber, "Mister Nightforce", der Nightforce von Grunde auf in den USA aufgebaut hat und mittlerweile seit über 30 Jahren federführend in dieser Branche tätig und meiner Meinung nach der erfahrenste Mann im Bereich Zielfernrohre weltweit ist. Wir haben uns vorgenommen, das beste und innovativste Zielfernrohr der Welt zu bauen. 

Was war schlecht an den Zielfernrohren, die es bislang gab? 

Wir haben die Produkte des Mitbewerbs in- und auswendig gekannt, mit ihren Stärken und Schwächen. Es gab keine einziges, das in allen optischen Bereichen in Bezug auf Auflösung, Kontrast, Schärfe, Randschärfe, Lichttransmission und so weiter in der Top-Liga war. Ziel war es, ein Produkt zu schaffen, das in all diesen Parametern top dabei ist. 2018 sind wir auf der Shot Show mit zwei Prototypen, einem 5- bis 27er und einem 4- bis 20er, im New Product Center ausgestellt gewesen. Keiner hat die Marke oder die Produkte gekannt, aber natürlich den Jeff Huber. Obwohl über 100 Optikhersteller ausgestellt haben, sind die beiden Zielfernrohre von Sniper‘s Hide vom Start weg als beste Produkte der Messe bezeichnet worden.

Das war der Startschuss für Ihr Unternehmen? 

Die Basis war da. Wir haben uns aber gefragt, wie wir es angehen sollen in diesem völlig vollen Markt, der tagtäglich noch voller wird, nachdem sich Firmen oder Einzelpersonen berufen fühlen, nach Asien zu gehen, einzukaufen, eine Marke zu gründen, ein Logo aufs Produkt zu kleben und auf der nächsten IWA oder Hohen Jagd auszustellen. Das ist gang und gäbe. Zeiss hat das vor über 15 Jahren vorgezeigt, als sie begonnen haben, eine Zeiss-Linie made in China neben ihren deutschen Produkten auf den Markt zu bringen. Wir haben gemeint, als Start-up sind wir hier sicher zweiter Sieger. Deshalb haben wir uns zu viert zusammengetan. Harald Jursitzky, in dessen Unternehmen BEB wir heute auch sitzen, Jeff Huber, Markus Umlauf und ich. Wir waren ein Start-up ohne Mittel, ohne Mitarbeiter, aber wir hatten zwei Prototypen und Erfahrungen von Jahrzehnten. Wir wollten nicht in der Mitte einsteigen oder im Jagdbereich, noch dazu ohne Marketingbudgets und einer unbekannten Marke. Zero Compromise Optic steht für unsere Philosophie: "Kompromisslos in der Qualität". Wir wollten somit ganz oben einsteigen und uns dort einen Namen machen, am hochpreisigen Sportmarkt in den USA, dem größten der Welt, wo herausragende Qualität geschätzt und nach gefragt wird.

Wie lange war die Vorlaufzeit bis zum Markteinstieg? 

Wir haben 2019 begonnen, zu produzieren und in die USA zu liefern. Allein durch Kunden-Feedback, Testberichte und Expertenmeinungen ist es uns gelungen, rasch Fuß zu fassen. Und seit damals sind wir bei jedem Test im Longe-Range- oder Sportbereich, an dem wir teilgenommen haben, als Testsieger hervorgegangen. Viele meinen, es hätte noch nie eine so gute und ausgewogene Optikrechnung in einem Zielfernrohr verbaut gegeben. Mit dieser Basis haben wir uns dazu entschieden, die Produktion hier in Österreich aufzuziehen, wo wir die Qualität sicherstellen können – natürlich mit extremen Kostennachteilen. Man kann in China Zielfernrohre kaufen, wo sich Türme verdrehen lassen, wo man die Vergrößerung verstellen kann, wo Linsen drinnen sind, die 50 bis 70 Euro kosten. Wenn ich in Österreich ein Stück Aluminium für das Hauptrohr in die Hand nehme, sind die 50 Euro gleich einmal weg.   

Sie haben mit Zero Compromise also tatsächlich bei null begonnen? 

Ja, wir haben uns für diesen Weg entschieden. Es war natürlich mühsam. Wir mussten Fertigungsfläche schaffen und haben kurzerhand in einer der Hallen eine Zwischendecke eingezogen, um Raum für die Montage zu haben. Die BEB ist natürlich prädestiniert als Mechanikpartner für die Fertigung der Mechanikteile. In einem Zielfernrohr werden ja zwischen 300 und 400 Teile verbaut – viel mehr, als man am ersten Blick glaubt. Das zweite Thema war natürlich die Mannschaft, um solche Zielfernrohre zu bauen. Solche Leute findest du nicht am Markt, sondern du musst sie dir mühevoll über Jahre heranziehen. Zum Glück hat die Stammmannschaft meines ehemaligen Arbeitgebers es vorgezogen, das Wagnis eines Start-ups zu wählen. Ohne dieses Know-how und den Pioniereinsatz wäre das nicht möglich gewesen. 

Den ausführlichen Beitrag finden Sie in der aktuellen Printausgabe. Kostenloses Probeheft anfordern.