Nicht geschossen ist auch gejagt!

 

Für wen Jagd ohne Beute zu machen nur verlorene Zeit ist, der sollte sich am besten mit etwas anderem beschäftigen.

 

 

Messbarer Erfolg für geleisteten Aufwand ist ein Zeichen für effektiven Einsatz an Zeit und Kosten. Was im Bereich von Produktion, Zeitmanagement und Dienstleistung noch angehen mag, wird oft auch auf die Jagd übertragen. Eigenes Versagen wird selten als solches erkannt und der Grund für „Misserfolge“ liegt entweder bei anderen Personen oder in den besonderen Umständen.

 

Natur erleben

Wer Jagen mit Schießen verwechselt, geht ohnehin von völlig falschen Voraussetzungen aus. Selbst der „schärfste“ Jäger geht mit blanken Läufen heim, wenn die Umstände gegen ihn waren. Einen bestimmten Wildbestand vorausgesetzt, kann Erfolglosigkeit mit der Schonzeit verglichen werden. Der Unterschied besteht lediglich darin, während der ganzen Jagdzeit zwar schießen zu dürfen, es aber nicht immer zu können. Das Naturerlebnis genießt allenfalls außerhalb der Jagdzeit einen gewissen Stellenwert. Sobald aber die Jagd aufgeht, ist der Blick durch das Fernglas weitaus „zielgerichteter“. Im Niederwildrevier wird vor Aufgang der Jagd nach Rehen, danach nach „Böcken“ Ausschau gehalten. Der Jäger sollte sich eine ähnliche „Unschuld“ bewahren wie der nicht jagende Naturfreund. Wenn das Naturerlebnis im Vordergrund steht, kann es am Ende einer jagdlichen Unternehmung eigentlich keine Enttäuschung geben. Kein Wild gesehen oder erlegt zu haben bedeutet ja nicht zwangsläufig, dass keines vorhanden war.

 

Rentabilität ist Trumpf

Schon jede Fahrt ins heimische Revier soll sich lohnen. Umso mehr ist dies bei Reisen in ferne Länder der Fall. Je nach Entfernung und Jagdland machen die reinen Fahrtkosten einen nicht unbeträchtlichen Teil des finanziellen Aufwandes aus, der durch Lizenzen, Führungs- und Quartiergebühren noch „ergänzt“ wird. Die erlegungsabhängigen Kosten wie Trophäentransport, Präparation usw. fallen dagegen nur im Erfolgsfall an. Die Zeiten, in denen an der Jagd noch „verdient“ werden konnte, sind endgültig vorbei. Die Frage ist nur noch, wie viel draufzulegen ist. Das kann neben dem Geld auch die für die Jagd aufgewendete Zeit sein. Es ist gar nicht so selten, dass bei einer Fahrt von mehr als einer Stunde die jagdlich nutzbare Zeit eines Abendansitzes wegen Joggern, Reitern, Bikern, Hundeführern, Pilz- und Beerensuchern nur wenige ruhige Minuten beträgt. Soweit es sich um bäuerliche Reviere handelt, wirkt sich die Verlagerung der landwirtschaftlichen Aktivitäten in die Abend- und Nachtstunden zum Teil sehr gravierend aus. Die ganze Palette der Landarbeit, von Säen bis Ernten, Pflügen und Düngen, Grubbern, Silieren und Pressen, kann während eines einzigen Ansitzes anfallen.

 

Der Vorteil des Reviersystems

Verglichen mit dem (von manchen Weidgenossen favorisierten) Lizenzsystem bringt das Reviersystem schon durch die Überschneidung der Jagdzeiten auf die unterschiedlichsten Wildarten eine kaum zu überbietende Abwechslung, die nur noch genutzt zu werden braucht, um ständig aus dem Vollen zu schöpfen. Häufigste Ursache für Unzufriedenheit ist die Geringschätzung des Niederwildes, soweit es kleiner ist als Rehwild. Wer beispielsweise widmet sich während der Jagd auf den Rehbock den Ringeltauben? Wer beschießt überhaupt einen Haselhahn um die Hirschbrunft? Wer ein Revier betreut, in dem überhaupt nichts mehr an jagdbarem Wild vorkommt, der muss sich unter Umständen fragen, ob er es so übernommen hat oder selbst für den maroden Zustand verantwortlich ist. Die Zustände einem oder allen Reviernachbarn anlasten zu wollen ist vielleicht am einfachsten, muss aber keinesfalls immer zutreffen. Gerade Neupächter lassen oftmals an ihrem Vorgänger kein gutes Haar, vergessen aber dabei, dass sich die anfänglich geringen Revierkenntnisse jagdlich auswirken müssen.

 

Keiler, Hirsche und anderes Großwild

Jäger, die um die Launen der Natur und damit das oft rätselhafte Verhalten des Wildes wissen, sind auch nicht enttäuscht, wenn sich der erhoffte Jagd­erfolg nicht einstellen wollte. Wer dagegen Jagen mit Geschäftemachen gleichstellt, wo für jede Leistung mit einer Gegenleistung fest gerechnet wird, findet in der Natur und ihren Geschöpfen nicht den richtigen Partner. Dazu kommt, dass in wilden, das heißt unerschlossenen, Gebieten auch das Wild „wilder“, unsteter und in geringerer Zahl vorhanden ist. Wer füttert schon im Pamir das Argali, den Elch in Kanada oder den Bären in Sibirien? Wenn der „Sechs-Uhr-Sechser“ im Mai nicht wie gewohnt auf den Klee austritt, war vielleicht die Hege von vier Jahren für die Katz. Wird dann eine Rechnung über den Aufwand an Hege, Zeit und Kilometern gegen 20 Kilo Wildbret und 
350 Gramm Trophäengewicht „aufgemacht“, fällt die Bilanz für den in kaufmännischen Kategorien denkenden Jäger zwangsläufig negativ aus. Die Jagd in anderen Ländern wird häufig nicht unter dem Aspekt betrieben, andere Landschaften, Tiere und Menschen kennenzulernen, sondern um dort, ob pauschal oder gegen Aufpreis, die stärksten Stücke zu erlegen. Dabei ist es für viele Jagdführer unverständlich, wie anspruchsvoll, aber auch unbeherrscht und zum Teil sogar unverschämt die Jäger aus dem deutschsprachigen Raum sein können. Rückforderungen von Reisekosten werden wegen Erfolglosigkeit erhoben, als wenn Tante Frieda in Mallorca die Aussicht zum Meer verbaut wäre. Manche Dinge lassen sich weder für Geld kaufen noch rückvergüten. Ein Hirsch mit exakt acht Kilogramm Geweihgewicht lässt sich allenfalls im Gatter totschießen, wenn vorher auf der Viehwaage das Lebendgewicht mit den vorjährigen Abwurfstangen „verrechnet“ wird. Derlei war beim König der Wälder (vielleicht noch) im ehemaligen Osten möglich, lässt sich aber weder auf den asiatischen Maral noch auf den nordamerikanischen Wapiti anwenden.

 

Jagd auf wildes Wild

Oft sind die Erleger tief enttäuscht, wenn es zum Weltrekord wegen einiger Hundert Gramm nicht gereicht hat. Es ist eben etwas anderes, in freier Natur zu jagen oder den Trophäenträger „à la carte“ im Kleingehege zu exekutieren. Sicher, an der Wand hängend, lässt sich alles als „schwer erkämpft“ deklarieren und nur die Qualität des Mauerhakens lässt Rückschlüsse auf das Gewicht zu, während sich mittels des zufällig bereitliegenden Zollstockes die Auslage und Stangenlänge millimetergenau ermitteln lassen. Wer Wild erlegen will oder muss, darf sich bietende Gelegenheiten nicht ungenutzt lassen. Zeitlich ist es zweifelsohne bequemer, am Morgen den erlegten Bock zur Strecke zu legen, als abends, dazu noch bei Regenwetter, die Geiß-/Kitzdoublette versorgen zu müssen. Wer gegebene Chancen wegen zu erwartender Unpässlichkeit nicht wahrnimmt, braucht sich nicht zu wundern, zum Beispiel mit dem Abschussplan nicht fertig zu werden. Doch machen wir uns keinen zu großen Stress. Jagd ist nur sehr begrenzt planbar. Und wir treten weitaus öfters vom Hochsitz den Heimweg ohne Beute an, als beim Stammtisch über Jagderfolge geprahlt wird. Trotz vielen Wissens über Jagdstrategien und über Wildbiologie muss uns auch eine höhere Macht wohlgesonnen sein. Sonst wird der Lauf unserer Büchse blank bleiben. Ich habe aus dem jagdlichen Bekanntenkreis gehört, dass in den USA, wo die Lizenzjagd während einer Jagdsaison auf nur wenige Stück Wild pro Jäger beschränkt ist, viele Jäger schon entfernungsmäßig auf die Urlaubszeit festgelegt sind. Bleiben sie erfolglos, was das Los eines jeden Jägers sein kann, sagen sie ohne Bitterkeit: „I had a good time“. Mich in diesem Sinne anzuschließen ist mir sehr selten schwergefallen.

Andreas Haußer