Professionelle Jagd auf forstlichen Problemflächen

 

Die Jagd kann einen wichtigen Beitrag dabei leisten, forstliche Herausforderungen infolge großer Schadereignisse zu lösen. Am Beispiel der erfolgreichen Wiederbewaldung eines Objektschutzwaldes im Schalenwild-Kerngebiet der ALWA GmbH in Donnersbachwald lässt sich das gut festmachen. Es hat sich aber auch gezeigt, dass die forstliche Lehrmeinung da und dort neu zu bewerten ist.
 

Von Wolfgang Rudorfer

 

 

Der 14. November 2002 war in den Vormittagsstunden geprägt von einer starken Dunstglocke mit Saharasand und leichtem Südwind. Am späten Nachmittag plötzlich Südsturm mit Orkangeschwindigkeit und die ersten geschlossenen Waldflächen in unterschiedlichen Altersklassen wurden wie ein Mikado-Spiel umgelegt, auch unzählige Zirben in den Hochlagen wurden entwurzelt. Dieser Orkan aus Süden wütete bis zum nächsten Vormittag und somit war eine noch nie da gewesene Windwurfkatastrophe im ganzen Tal von Donnersbachwald ersichtlich. Betroffen auch der „Strohmoarberg“ mit Fütterungseinstand, wo vorerst angenommen wurde, dass viel Wild unter den Windwürfen begraben liegt. Bei der ganzen Aufarbeitung wurde kein einziges Stück gefunden, da könnte der Mensch vom „Instinkt“ her noch einiges lernen. Auch der Objektschutzwald am Strohmoarberg, oberhalb der „Steirersiedlung“, war vom Windwurf stark betroffen. Zu erwähnen wäre noch, dass im südlichen Bereich vom Strohmoarberg vor der Windwurfkatastrophe eine Erdmure abging, die nach tagelangem Starkregen auf einer Länge von rund 500 m inklusive geschlossenen Altholzbestandes bis zum Talboden alles verwüstete. Es war ein großes Problem, Schlägerungsunternehmer mit Langstreckenbahnen für 5oo m und darüber zu finden, nachdem andere Bundesländer auch von der Windwurfkatastrophe betroffen waren. Insgesamt wurden in der Steiermark, in Oberösterreich und Salzburg damals 3 Mio. Festmeter geworfen. Deshalb gab es auch Verzögerungen in der ersten Aufarbeitungsphase auf dieser Fläche.

 

Unter erschwerten Bedingungen

Die Windwurffläche Strohmoarberg mit einhergehendem Borkenkäferbefall zählte aufgrund der Steilheit sowie unwegsamen Geländes und geringer Erschließung zu dieser Zeit zu den schwierigsten Aufarbeitungsflächen der ALWA GmbH. Trotz rascher, teils unter Lebensgefahr getätigter Aufarbeitung des angefallenen Schadholzes konnte nicht verhindert werden, dass sich in den Folgejahren wiederholt Borkenkäferkalamitäten einstellten und fast den restlichen Waldbestand zum Absterben brachten. Somit wurde nahezu der gesamte Stroh­moarberg entwaldet. Die Folge der Entwaldung stellte aufgrund der Steilheit des Geländes und der fehlenden Rückhaltefähigkeit der geräumten Fläche eine hohe Prädisposition für Naturgefahren dar.

 

Raschestmögliche Aufforstung

Um eine möglichst schnelle Wiederbewaldung zu erreichen, wurde auf den ersten Aufarbeitungsflächen mit der Aufforstung begonnen. Das ganze Projekt wurde unter Federführung der Wildbach- und Lawinenverbauung in Zusammenarbeit mit der Fachabteilung 10c – Forstwesen durchgeführt, finanziert von Bund, Land und Interessenten (Gemeinde, ALWA GmbH). Eine angemessene Schlagruhe konnte nicht eingehalten werden, da ja jährlich unmittelbar daneben aufgrund der Käferkalamitäten wieder neue Freiflächen entstanden. Die Abstockung der Bäume erfolgte in einer Höhe von 1 bis 1,5 m, zusätzlich wurden Querschlägerungen von einzelnen Bäumen für die Bodenrauigkeit belassen, um Schneeschub auf der gesamten Fläche zu vermeiden. Querschlägerungen und Restholz mussten gegen Borkenkäferbefall (Buchdrucker, Kupferstecher) chemisch behandelt werden, Wurzelstöcke wurden entrindet. Auf der Abrutschstelle des Murenabganges wurde eine 240 m lange Stahlschneebrücke errichtet, um einer eventuellen Lawinengefahr vorzubeugen.

 

 

Erhebung der Verbiss-Situation

Das Aufforstungsziel wurde mit Juli 2010 festgelegt, bis dahin sollte die gesamte Fläche aufgeforstet sein. Die Aufforstung eines südexponierten Standortes auf einer Seehöhe von 1.000 bis 1.750 m wurde mit standortgerechten Baumarten (Fi 5/10, Lä 3/10, Ta 1/10, Ahorn, Esche) durchgeführt. Die Pionierbaumarten wie Birke, Weide, Pappel und Vogelbeere sollten für eine gesunde Mischung sorgen. Zur Verbisskontrolle wurden vorerst fünf Weiserflächen im Ausmaß von je 100 m² sowie drei Kontrollzaunflächen 30 m x 30 m im September 2005 errichtet. Natürlich war es notwendig, jährliche Schutzvorkehrungen gegen Verbiss an Hauptbaumarten anzubringen. Diese Tätigkeit wurde von der ALWA GmbH durchgeführt, bis die Bäumchen der Äserhöhe entwachsen waren. Auf der ganzen Aufforstungsfläche wurden von der Wildbach- und Lawinenverbauung Pflegesteige von rund 3.200 m Länge zur leichteren Bewirtschaftung angelegt. Herausforderung für Berufsjäger Die Bejagung bzw. Wildstandsreduktion war für uns Berufsjäger eine große Herausforderung. Vier hauptberufliche Jäger und zwei Ausgeher mit bester jagdlicher Erfahrung und Revierkenntnis waren beteiligt, um eine Wildstandsanpassung bei Rot-, Gams- und Rehwild für die Wiederbewaldung auf fast 80 ha zu erreichen. Eine Rehfütterung im Talbereich wurde 2003 wegen der zukünftigen Neubewaldung aufgelassen. Der Rotwildfütterungsbestand am Fuße des Strohmoarberges wurde bis 2005 vorerst von 180 Stück auf 150 Stück reduziert. Durch diese Katastrophe war die Jagdausübung im ganzen Tal für die restliche Schusszeit nur sehr eingeschränkt möglich. Mit der jährlichen Verkleinerung des Rotwildeinstandes wurde eine Verlegung oder Auflassung der Fütterung in Erwägung gezogen. Eine weitere Reduktion auf etwa 100 Stück, in erster Linie bei den Zuwachsträgern bis 2010, war das geplante Ziel einer Vereinbarung, welches auch umgesetzt wurde. Eine weitere Reduktion war unumgänglich, da in dieser Zeit fast der ganze Einstand durch den Borkenkäfer zunichtegemacht wurde. Da eine angedachte Verlegung scheiterte, wurde die Fütterung 2013/14 aufgelöst. Im Zuge der Reduktion beim Rotwild und einhergehenden Einstandsverlusts sowie ständig ausgesetzten Bejagungsdrucks auf dieser Fläche haben sich viele Stücke von der Strohmoar­fütterung in den südlichen Talbereich zu anderen Fütterungen der ALWA-GmbH überstellt. Somit stand einer zukünftigen Wiederbewaldung nichts mehr im Wege. Mit der Nadelholzaufforstung (Fi, Lä, Ta) hat es bis auf wenige Fege- und Verbissschäden kaum Probleme gegeben (jährlicher Verbiss-Schutz des Terminaltriebes). Sehr wohl wurde Laubholz vom Schalenwild (Gams, Reh, Rotwild) beäst. Rotwild war in den Sommermonaten auf diesem Berg nur vereinzelt anzutreffen, da sich das Wild im Frühjahr in die Hochlagen der hinteren Täler zurückzog und erst im Herbst je nach Witterung wieder zur Fütterung zurückkehrte. Gamswild war je nach Witterung über das ganze Jahr vereinzelt anzutreffen, auch das Rehwild hat die äsungsreiche Fläche immer wieder aufgesucht.

 

 

Professionelle Jagdstrategie

Die gesamte Wildstandsreduktion in diesem Objektschutzwaldgebiet wurde nur mit Ansitzjagd (12 Bodensitze) und mit Jagdstrategie durch tagelange Beobachtung von der gegenüberliegenden Talseite erfolgreich gelöst. Unwegsames Gelände erschwerte nicht nur die Bejagung, sondern auch die Wildbringung. Teilweise war eine Hunderte Meter lange Bergaufseilung nötig, da ein Transport in das Tal unmöglich war. Rotwild kam aufgrund der sonnseitigen Lage erst spät im Herbst zur Fütterung und hat diese im Frühjahr meist zeitig – durch die frühe Vegetation – wieder verlassen. Abseits dieser Sommerlebensräume in den höher gelegenen Gebieten wurde im Frühjahr und Herbst bei diesem Durchzug der effektivste Abschuss getätigt. In der Anfangsphase der Reduzierung von 2005 bis 2008 war die Bejagung erfolgreich und effizient. Eine Aufzeichnung der Jagdstrecke 2009/10 zeigt auf, dass auf der Objektschutzfläche über das ganze Jagdjahr nur 16 Stück Schalenwild erlegt wurden (10 Rotwild, 5 Gams, 1 Reh), aber verbunden mit 190 (!) Ansitzen und Beobachtungen. Rotwild war aufgrund des fehlenden Einstandes und ständigen Bejagungsdruckes sowie Beunruhigungen durch die Bewirtschaftung nur noch selten anzutreffen. Bei Gamswild wurde in erster Linie in die Jugendklasse eingegriffen, somit hat sich schnell ein Vertreibungseffekt bei den Geißen in die höheren Gebirgslagen eingestellt, einzelne Gamsböcke waren über das Jahr immer wieder anzutreffen. In den ersten Jahren der Aufforstung wurde einiges an Rehwild erlegt, mitunter auch der alte „Platzbock“, der sich eigentlich nur durch wenige Bodenmarkierungen (keine Fegestellen) verraten hat. Im Nachhinein gesehen war es ein Fehler, den alten Platzbock zu erlegen, da sich in Kürze zwei zwei- bis dreijährige Böcke eingestellt haben, die mehr Fegeschäden verursacht haben. Durch den alljährlich angebrachten Kulturschutz an Terminaltrieben auf der ganzen Aufforstungsfläche wurde Verbiss weitestgehend verhindert.

 

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