Mondsüchtig?

 

 

 

Als Jäger fragen wir uns oft, wann der optimale Zeitpunkt für einen Ansitz oder eine Pirsch ist. Wind und Wetter lassen sich dabei schlecht planen, aber was wäre, wenn die Mondphase einen Einfluss auf mein Weidmannsheil auch am Tage hätte? Der Amerikaner John Alden Knight publizierte 1942 die Solunar-Theorie, bei der die Mondphasen und die Position von Mond und Sonne am Himmel einen Einfluss auf das Verhalten unserer Wildtiere und damit auch unseren Jagderfolg haben. Eine biologische Theorie zu dem Phänomen sagt voraus, dass nur Beutetierarten, welche sich primär optisch orientieren, in hellen Mondnächten stärker nachtaktiv werden. Wie können wir diese Theorien mit modernen wildbiologischen Forschungsmethoden überprüfen? Wildkameras, Wildunfälle und Telemetriedaten liefern dazu einige Antworten. In einer aktuellen Wildunfallstudie aus Österreich zeigen Wolfgang Steiner und Kollegen einen starken Effekt der Mondphase auf die Wildunfallhäufigkeit mit Rehwild. Auch Kollegen aus Spanien und den USA konnten weitaus höhere Wildunfallzahlen in Vollmondnächten nachweisen. Liegt dieser Effekt an mondsüchtigen Autofahrern oder an einer Verhaltensveränderung der Wildtiere? Auch die Ergebnisse von Telemetriestudien deuten auf einen Effekt auf unsere Wildtiere hin. Eine Untersuchung von besenderten Weißwedelhirschen in den USA zeigte dabei besonders erhöhte Aktivität um den Mondauf- und -untergang. Beim Wechsel zwischen bejagten und unbejagten Gebieten nutzten nordamerikanische Wapitis umso stärker mondhelle Nächte, je stärker der Jagddruck wurde. Sogar unser Gamswild scheint den Mond zu nutzen. Zwei Studien aus der Schweiz und Italien zeigten eine höhere Aktivität besenderter Gams in mondhellen Nächten. Zusammengefasst gibt es zwar einen komplexen Effekt, aber der Einfluss der Morgen- und Abenddämmerung auf unser Schalenwild ist weitaus stärker als der des Mondes.

Robin Sandfort, Wildbiologe, Groß-Enzersdorf