Der Mount Everest interessiert uns nicht ...
... meinen die legendären Huberbuam, denn auf ihm sind für ihren Geschmack zu viele Leute. Sie möchten auch in der heutigen Zeit Pioniere sein. Im echten Alpinismus locken immer noch Wände, die niemand kennt. Wie die beiden Ikonen des Sportkletterns das mit einem modernen Naturverständnis in Einklang bringen, hat Martin Ossmann in einer ANBLICK-Sommergesprächsrunde – bei der Max Mayr Melnhof die Sicht der Jagd eingebracht hat – zu ergründen versucht.
Alexander und Thomas: Wann hat es begonnen, dass es euch hier in die heimische Bergwelt rund um Watzmann und Untersberg gezogen hat?
Alexander Huber: Wir sind über die Eltern zum Bergsport gekommen, beide sind richtig bergsportbegeistert. Unser Vater war auch immer schon ein extremer Kraxler. Ob es die Materhorn-Nordwand oder Grandes-Jorasses-Nordwand war, er hat im Prinzip alle Klassiker in den Alpen gemacht. Ein waschechter Alpenkletterer, ein echter Alpinist und so sind wir in das Bergsteigen hineingekommen.
Wo rührt die Verbundenheitzur Natur her?
Alexander Huber: Wir sind von der Großelternseite auf einem Bauernhof groß geworden. Damit waren wir schon immer in der Landwirtschaft verankert und haben immer schon im Wald gearbeitet. 1975 haben die Eltern dann die Landwirtschaft aufgegeben, dann waren wir – so gesehen – ein Stück weit raus aus dem Thema, aber den Forst haben wir immer noch gehabt. Und den haben wir ganz normal bewirtschaftet, wie es halt die Bauern typischerweise tun, nur ohne dass man versucht, damit Geld zu verdienen. Das ganz Gleiche mache ich jetzt auch. Ich habe vier Hektar Wald draußen, eine Stückholzheizung und meine Holzöfen. Ich hole das heraus, was ich brauche, nicht mehr.
Und die ersten Berührungen mit Jägern waren?
Thomas Huber: Das war für uns eigentlich ziemlich schlimm – dramatisch und traumatisch. Alexander und ich sind zum Eisklettern gegangen, ich war 18, Alexander 16. Wir sind mit dem Auto hingefahren und unten in Schneizlreuth ist der Wasserfall perfekt gestanden und wir sind mit dem Rucksack aus dem Auto und wollten hinauf. Dann kommt der Wirt heraus. So ein Riesenkerl, der uns angeschrien und mit der Faust gedroht hat: „Geht’s sofort weg. Ihr Verbrecher! Wenn ihr da einsteigts, dann schiaß i euch owa!“ Der hat uns so was von eingeschüchtert, dass wir sofort umgedreht haben und dann sind wir halt die „Kasmarie“ gegangen. Das war der erste Eindruck der Jagd und das hat uns während unserer ganzen Kletterzeit begleitet. Die Jagd war immer unser großes Feindbild. Wenn ein Jäger am Weg war, hat er uns eigentlich immer angepöbelt. Das war nie ein Miteinander, sondern immer ein Gegeneinander. Wir haben die Natur durch unser Tun und unser Handeln ganz klar gestört, haben Erstbegehungen gemacht, sind in ein unberührtes Habitat vorgedrungen und der Jäger wollte das halt alles ursprünglich und für sich haben. Dann bin ich als Bergsteiger nach Berchtesgaden gekommen. Mit meiner Freundin habe ich eine Familie gegründet und in eine Familie eingeheiratet, und zwar in eine sehr ursprüngliche und konservative Jägerfamilie, die seit über 40 Jahren eine Bauernjagd mit Hochwild, Gams, Hirsch und Reh hat. So habe ich auch die andere Seite kennen lernen dürfen (lacht).
Max, du bist in etwa zur selben Zeit auf der anderen Seite des Untersbergs aufgewachsen. Reflektierend von deiner Jugend weg, wie hast du den Alpinismus auf deiner Seite wahrgenommen?
Max Mayr Melnhof: Gar nicht nur den Alpinismus, sondern ich würde sagen den Tourismus im Allgemeinen. Ich bin als 70er-Baujahr eigentlich in den goldenen Zeiten aufgewachsen. Zum Jagen fing ich sehr früh an, da durfte ich noch die Hochblüte am Untersberg kennenlernen. Wenn wir da oben gewesen sind, haben wir tatsächlich ein paar Hundert Gams gesehen. Gerade in der Mittagsscharte drinnen, da waren hundert Gams gar nichts. Jetzt kann ich suchen, dass ich zwei bis drei Gams sehe. Die Leute haben sich früher mehr auf den touristischen Steigen bewegt. Mittlerweile müssen alle alles probieren und alles suchen. Höhlenforschen, Berglaufen etc., plus draußen übernachten, vieles hat Überhand genommen.
Mit euren alpinistischen Höchstleistungen ward ihr, Thomas und Alexander, tatsächlich Mitauslöser einer neuen Sportkletterszene. Ihr habt wesentlich eine Trendsportart mitbegründet.
Thomas Huber: Das kann man definitiv so sagen. Wir waren wild unterwegs und haben auch viel Glück gehabt. Unsere ersten Erstbegehungen waren schon kleine Grenzgänge. Was wir da gemacht haben, das möchte ich nicht, dass das meine Kinder machen. Aber wir haben es bestanden. Und wenn man so an der Grenze unterwegs ist, ist man natürlich sehr sensibel. Da sind die Membranen der Sinne sehr dünn. Man ist offen für die ganze Natur, für das Gewaltige. Erst später, als der Alpenverein dann auch die Wettkämpfe ins Leben gerufen hat, wo Plastik dann plötzlich so die neue Wunderwaffe war, also die Plastikgriffe, dass man den Schwierigkeitsgrad nach oben schraubt, ist es mehr sportlicher geworden. Dann haben wir eher mehr die Klettergärten aufgesucht.
In den letzten 20 Jahren sind viele neue Trendsportarten dazugekommen, ebenso die soziale Vernetzung. Ausgefallene Plätze in der Natur können über Nacht von Menschen geflutet werden. Zeit, um gegenzusteuern?
Alexander Huber: Wir haben uns auch genau deswegen engagiert, weil wir schon immer auch die Problematik sehen. Wir haben nicht nur erkannt, dass uns die Jägerschaft schimpft, wenn wir zu einem Felsen neu hinkommen, sondern wir haben ja auch selbst gesehen, dass beizeiten tatsächlich Probleme da sind. Und wenn wir jetzt den Felsen direkt gleich ansprechen – die Felsenbrüter wollen halt einfach in diesem Felsen brüten und da muss man als Kletterer erkennen, dass es nicht geht, zu gegebener Zeit hier zu klettern.
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