Auftrag für einen Fuchsmantel
Die Idee meines Vaters, meiner Mutter einen Fuchsmantel zum Geschenk zu machen, gefiel mir von Anbeginn sehr gut. Richtigerweise sollten dazu nicht die gleichmäßig gewachsenen Bälge von Füchsen aus irgendwelchen Pelztierfarmen dienen, sondern die Bälge eigenhändig erjagter wild lebender Rotröcke.
Den Auftrag zur Erlegung der nötigen Balgfüchse bekamen alle namhaften Fuchsjäger aus der Umgebung meines Vaters, jedoch hauptsächlich Daniel, ein wahrer Spezialist bei der Bejagung des Raubwildes aus dem niederösterreichischen Mostviertel, und meine Wenigkeit. Die Idee deckte sich in jeder Hinsicht mit meiner Anschauung zum Thema Verwertung erlegter Wildtiere. So erlangen nämlich die Bälge der redlich erjagten Füchse den Wert, der diesen von Grund auf zusteht und die Bejagung im Grunde erst richtig rechtfertigt. Nichts Schlimmeres, als ein Wildtier zu erlegen und es dann mangels Verwertbarkeit in irgendeiner Dickung zu entsorgen. Ich muss jedoch hinzufügen, dass ich jeden verwertbaren Raubwildbalg prinzipiell abstreife, um ihn dann gerben zu lassen. Doch nachdem bereits einige Bälge mein Jagdzimmer zieren und ein Präparat eines starken Fuchses meine Trophäenwand schmückt, war ich von Anfang an froh, meine winterliche Fuchsstrecke für eine gewisse Zeit einer anderen sinnvollen Verwendung zuführen zu können.
Das ganze Jahr wurden nun schon sämtliche im Revier erlegten Stück Schalenwild am Luderplatz aufgebrochen. Beginnend mit Oktober, habe ich dann immer wieder mit Katzen–Trockenfutter ergänzt und sukzessive ganz auf dieses umgestellt. Wichtig in meinem Revier ist, niemals zu viel davon zu streuen, denn sonst erspähen die Krähen das Futter auf der Schneeoberfläche, und noch bevor der Fuchs davon angelockt werden kann, haben es schon die schlauen Vögel vertilgt. Unter Luderplatz verstehe ich den direkten Bereich dreißig Meter vor meiner isolierten Fuchspasskanzel, der sogenannten Schilfkanzel, die ich vor einigen Jahren am Rande der mehr als zwanzig Hektar großen Corton-Wiese an der Kante zu einem Schilfstreifen zusammen mit meinem Freund Martin aufstellte. Die Wiese zieht mit ihren vielen Wühlmauskolonien die Füchse ganzjährig magisch an und so sind auch insgesamt drei Bauanlagen im näheren Umfeld derselben zu finden. Zusätzlich wird im Bereich der Kanzel alljährlich ein Misthaufen angelegt, der auch füchsische Leckereien wie die Nachgeburt der zahlreichen Kühe des nahen Maierhofes enthält. Heuer im Sommer hatte ich an einem lauen Ansitzabend ganze sieben Füchse gleichzeitig auf dieser Wiese in Anblick und so hoffte ich, dass mir auch im Winter der eine oder andere bei meiner Schilfkanzel zur Beute würde.
Mittlerweile ist es Winter geworden. Der Blick aus dem Fenster verspricht eine klare Nacht ohne Bodennebel und so zieht es mich in die eisige Dunkelheit hinaus. Ich packe die kombinierte Ferlacherin in mein Auto und mich in ein aus mehreren Schichten bestehendes wintertaugliches Jagdgewand. Der Schnee liegt auf den Wiesen im Schnitt einen guten Meter hoch, und nur weil das erste Stück des Weges von den Landwirten geräumt wurde, kann ich es noch mit meinem Auto bewältigen. Den letzten Kilometer muss ich mit den Schneeschuhen zurücklegen. Doch gehört zu einer richtigen Fuchspassnacht nicht auch ein Anmarsch durch eine tief verschneite Winterlandschaft? Die Sterne funkeln bereits am Himmel und der Mond bildet eine Sichel, als ich in Richtung Kanzel stapfe. Also ideale Verhältnisse, um dem Rotrock an seinen Balg zu gehen.
Das Vorankommen erfordert ein hohes Maß an Energie, denn immer wieder breche ich durch die harschige oberste Schicht des Schnees trotz der breiten Schneeteller an meinen Füßen ein und muss mich dann wieder mühsam herauskämpfen. Angezogen wie ein Astronaut und beladen wie ein tibetischer Scherpa, ist das kein leichtes Unterfangen. Immer wieder muss ich Pausen einlegen und bei einer dieser Pausen elektrisiert mich bereits das heisere Bellen eines Fuchses. Zur Kanzel kann ich bereits sehen und so leuchte ich den Bereich vor mir mit meinem Habicht ab. Anfänglich läuft das Glas an, da ich aus allen Poren dampfe wie ein frisch gebackener Gugelhupf, doch vorübergehend schaffe ich es, die Optik beschlagfrei zu bekommen. Als ich so über die Fläche glase, fällt mir direkt bei der Leiter der Kanzel ein dunkler Fleck auf. Wieder läuft die Linse an und ich muss das Fernglas erneut abnehmen, um es mit einem Stofftaschentuch zu reinigen. Gleichzeitig überlege ich, ob ich vielleicht beim letzten Ansitz einen Ausrüstungsgegenstand bei der Hochsitzleiter vergessen haben könnte, der nun dort liegt, und blicke erneut durchs gereinigte Glas. Nun, bei näherer Betrachtung, durchfährt es mich heiß, denn es handelt sich weder um eine optische Täuschung noch um einen vergessenen Ausrüstungsgegenstand. Der dunkle Fleck beginnt sich zu bewegen und entpuppt sich als leibhaftiger Kapitalfuchs. Sogar über die große Entfernung von mehr als vierhundert Metern sind trotz Dunkelheit die Konturen des Rotrocks, dessen Ausmaße an die eines mittleren Hundes erinnern, zu erkennen. Gelangweilt setzt er sich seelenruhig neben der Leiter auf seine Hinterläufe und äugt dabei verträumt auf die große Wiese vor sich. Kopfschüttelnd raffe ich mich auf, um etwas näher an den Luderplatz heranzukommen. Jeder, der jedoch weiß, was es bedeutet, einen Fuchs anpirschen zu wollen, wird verstehen, dass das speziell bei diesen harschigen Schneeverhältnissen ein unmögliches Unterfangen ist. So versuche ich ohne wirkliche Hoffnung auf Erfolg, die Distanz zu Meister Reineke zu verkürzen. Klarerweise vernimmt er mich, bevor ich noch auf Büchsenschussdistanz herankomme, und empfiehlt sich wiederum in aller Ruhe, indem er quer über den Luderplatz und dann weiter über die Wiese zu schnüren beginnt. Einem Beobachter mag diese Situation wie ein Ausschnitt aus einem humorvollen Komikstreifen vorkommen. Der Fuchs, der direkt unterm Hochsitz auf den Jäger wartet, während der Jäger selbst das Ganze nur von der Ferne beobachten kann. Als ich schließlich bei der Kanzelleiter, wiederum schnaufend wie eine Dampflokomotive, ankomme, sehe ich gerade noch, wie der Fuchs vierhundert Meter weiter in die Deckung schlüpft. Welch schönen Mantelkragen hätte dieser kapitale Rüde abgegeben!
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