Jäger und Gejagte

 

 

Beutetiere reagieren rasch auf Großräuber, das macht die Jagd auf sie zur Herausforderung. Denn auch Wölfe sind keine „Superprädatoren“ – erfolgreich machen sie ihr Sozial- und Gruppenleben, ein Beutespektrum, das von der Maus bis zu Elch und Wisent reicht, sowie die unerbittliche Suche nach leichter Beute im vorhandenen Angebot. 

 

Gleich nach dem Šumni vrh – dem Försterkogel – kreuzen Wolfsspuren die Forststraße. Es liegt frischer Spurschnee, und so lasse ich das Auto stehen und folge den Fährten querfeldein. Bald stellt sich heraus, dass hier zwei Wölfe unterwegs waren, und bald erkenne ich auch, dass sie in Richtung Mali vrh – zum Kleinen Hügel – ziehen. Vereinzelt kreuzen sie Reh- und Rotwildfährten, aber die beiden Wölfe sind recht zielstrebig und beachten die alten Fährten nicht. Kurz vor dem Mali vrh sind sie anscheinend auf Rotwild gestoßen – nach den Fährten waren es Tier, Kalb und Schmaltier. Hier erkennt man nun, dass plötzlich Tempo hineinkommt – auf einmal sind die Abstände zwischen den Trittsiegeln deutlich weiter. Im Winter, wenn die Buchen und Haseln im Unterwuchs ohne Laub sind, sieht man weit in diesen slowenischen Wäldern, die geprägt sind von Dolinen und reich strukturierten Beständen mit abwechslungsreichem Baumbewuchs aller Altersklassen. Jetzt kann man die Fluchtfährten weit voraus im schneebedeckten Waldboden erkennen. Am Mali vrh kreuzen die Spurbilder. Das Rotwild hat abgedreht und ist hinunter zum Schwarzen Weg geflüchtet. Hier brauche ich etwas Zeit, um das ganze Wirrwarr aufzulösen und mir ein Bild zu machen. Bald stellt sich heraus, dass hier eine dritte Wolfsfährte dazukommt. Ich gehe diese Fährte eine kurze Strecke lang aus und erkenne, dass dieser Wolf dort gewartet hat. Es ist gut zu sehen, dass er hier auf einem Fleck mit viel Überblick im oberen Bereich des Hügels gelegen ist. Die drei Stück Rotwild sind direkt auf ihn zu und haben erst abgedreht, als auch er mit bei der Jagd war. Nun geht es vom Mali vrh hinunter zu dem großen Käferschlag beim Schwarzen Weg, und dort wird schon von Weitem deutlich, dass die Wölfe erfolgreich waren. Auf einem Fleck, wo der Schnee Äste und Schlagabraum zugedeckt hat, dürfte das Schmaltier gestrauchelt oder stecken geblieben sein – jedenfalls wurde es hier zur Beute der Wölfe. Der rot gefärbte Schnee und die Überreste des Tieres lassen keine Zweifel offen. Auch wenn bei Weitem nicht jeder Jagdversuch zum Erfolg führt, für drei Wölfe ist es kein Problem, ein Stück Rotwild abzufangen – wenn sie an das Stück herankommen. Tatsächlich kann auch ein einzelner Wolf ein Tier ohne Probleme töten. Rudelgröße, Jagdverhalten und Beute stehen dennoch in engem Zusammenhang. Zudem muss auch erwähnt werden, dass nicht nur das Raubtier sein Verhalten anpasst, auch das Beutetier reagiert und gleicht, lange bevor es attackiert wird, sein Verhalten an den Beutegreifer an. Selbst Weidetiere reagieren auf Wölfe durch Verhaltensänderungen.

 

 

 

Blick in die Rocky Mountains

Der Yellowstone-Nationalpark ist Teil der Rocky Mountains. Er erstreckt sich über eine Fläche von 891.000 ha – das ist etwas mehr als die Hälfte der Steiermark. Wohl nirgends auf der Welt sind Wölfe intensiver erforscht worden als im nordwestlichen Teil des Parks. Das engere Untersuchungsgebiet umfasst rund 100.000 Hektar. Von 1995 bis 1997 wurden 41 Wölfe im ältesten Nationalpark der USA wiedereingebürgert – sie trugen Radiotelemetriesender. Bis heute werden jährlich immer noch neue Tiere mit Halsbandsendern versehen. Von Jahr zu Jahr schwankte danach die Anzahl der Wolfsrudel stark. Nach einem raschen Anwachsen der Wolfsbestände auf rund 170 Stück im Park verringerte sich danach die Zahl der Wölfe wieder auf rund 90 Tiere. Es gab Gruppen mit nur zwei Wölfen, und es gab Rudel mit bis zu 37 Tieren. Natürlich waren die Grenzen des Parks aber kein Hindernis für die Ausbreitung darüber hinaus. In der gesamten Region rund um den Yellowstone stieg der Bestand in 20 Jahren auf rund 500 Wölfe, im nördlichen Teil der Rocky Mountains schätzte man insgesamt 1.700 Tiere und 95 Paare, die Junge aufzogen.

 

Beuteauswahl nicht zufällig

Wenn in Natur- und Tierfilmen jagende Wölfe gezeigt werden, dann geht es um bewegte und bewegende Bilder. Flüchtende Tiere, hetzende Wölfe, stiebender Schnee – via Bildschirm wird Spannung und Emotion aufgebaut. Tatsächlich geht es Wölfen nicht viel anders als allen Jägern. Lange bevor die spannungsgeladene Verfolgungsjagd beginnt, sind die Tiere einfach nur auf der Suche nach Beute. Werden Beutetiere entdeckt, versuchen sie, sich anzunähern. Was danach folgt, hängt eng mit dem Beutetier zusammen. Sind die Wölfe nahe genug herangekommen, wurden Wapitis im Yellowstone-Nationalpark recht rasch verfolgt. Wapitis sind auch viel häufiger angegriffen worden als die wehrhaften Büffel. Bisons wurden viel länger beobachtet. Sie sind wehrhafter und auch aggressiver als Wapitis. Das Risiko, bei einem Angriff verwundet zu werden, ist also höher. Bei den Hirschen sind dagegen die Wölfe viel risikofreudiger.

 

Den ausführlichen Beitrag von Dr. Hubert Zeiler finden Sie in unserer Februar-Printausgabe. Kostenloses Probeheft anfordern.