Im Revier

 

 

Den Panzerknackern das Handwerk legen

Seine Neugier, seine Cleverness und Anpassungsfähigkeit lassen den Kleinbären mit der schwarzen Maske zügig neue Lebensräume erobern. Mittlerweile stellt der geschickte Räuber selbst Naturschützer vor ernsthafte Probleme, da er lokal einen spürbaren Einfluss auf Ökosysteme hat. Ein Grund mehr, einmal die jagdlichen Möglichkeiten, den gewitzten Waschbären dingfest zu machen, auszuloten.

 

 


Langsam und lautlos gehe ich den Pirschweg entlang zu einer versteckt eingebauten Kanzel. Sie lässt sich gedeckt von hinten betreten, selbst wenn schon Wild auf der anschließenden Fläche an der Kirrung stehen sollte. Ein vorsichtiger Blick durch das Kanzelfenster, aber die Bühne ist noch leer. Kaum eingerichtet, erscheint rechts von mir auf einer Kleefläche ein einzelnes weibliches Stück Rehwild. An der Kirrung vor mir ist gut Betrieb zu erwarten. Doch nicht nur Sauen mögen den schlammigen Boden direkt um ein kleines Wasserloch. Vormittags beim Kirren zeugten zahlreiche Spuren von dem Sohlengänger mit der schwarzen Maske. Waschbären haben sich in den letzten Jahren deutlich ausgebreitet. Zeugten jahrelang vereinzelte Fänge von männlichen Kleinbären davon, dass bereits einzelne Scouts neue Reviere suchten, finden sich neuerdings immer häufiger Hinweise auf Jungbären. Einen besonderen Reiz scheinen Saukirrungen auf sie auszuüben, was nicht weiter verwunderlich ist, denn genau wie Sau und Dachs lieben sie das gelbe Sauengold. Umgeben ist dieser heimliche Platz von einem auwaldähnlichen, dichten Laubwald. Neben undurchdringlicher Naturverjüngung stehen gut verteilt alte knorrige Eichen, ein idealer Lebensraum für den Waschbären. In den weiten Baumkronen, aber auch den unzähligen Baumhöhlen findet er ruhige Tagesverstecke. Im schattigen und kühlen, ja immer feuchten Boden braucht er nicht lange nach Nahrung suchen. Ebenso haben es ihm die überall zu findenden Gräben mit permanentem Wasserstand angetan.

Waschbären sind wie der Dachs Allesfresser und eher als Sammler denn als Jäger unterwegs. Entgegen der oft zu hörenden Meinung unter Jägern jagen sie jedoch nur vereinzelt Vögel und
Kleinsäuger aktiv. Dem doch eher behäbigen Kleinbären scheint das aktive Jagen meist zu aufwendig zu sein. Unbestritten hingegen ist zumindest lokal sein massiver Einfluss auf Vogelgelege vom Boden bis in Baumhöhlen hinein und insbesondere auf Amphibienarten und Krebse. Bei großer Nahrungsauswahl entwickeln Waschbären nicht selten individuelle Vorlieben für bestimmte Beute.

Wo der Waschbär häufiger vorkommt, ist er gerne in kleineren Gruppen unterwegs. Lange Zeit galt der Waschbär als Einzelgänger, der sich nicht mit Artgenossen vertragen würde. Passt aber das Nahrungsangebot, können sich die Streifgebiete der Waschbären häufig überschneiden. Insbesondere miteinander verwandte Fähen teilen sich Gebiete, um gemeinsam zu fressen, zu schlafen und auch zu spielen. Rüden sind meist nicht miteinander verwandt, streifen aber auch gerne in losen Gruppen von wenigen Tieren umher. In gut besiedelten Gebieten gibt es daher sogar Sammelplätze, wo die Waschbären der Umgebung sich regelmäßig „Nachrichten“ in Form von Duftmarken austauschen.

 

 

Ernst zu nehmende Wildschäden

Aber auch wirtschaftliche Schäden sind mittlerweile häufig. Gerade in Obstplantagen fallen regelmäßig Waschbären ein und plündern das reife Obst. Aber auch am Waldrand sind bei dem mittlerweile überall vorhandenen Maisanbau, insbesondere an den grünen Pflanzen im feuchten Waldschatten, Schäden zu bemerken. Ähnlich wie beim Dachs sind die Maisstängel abgeknickt, die obere Seite der Lieschblätter vom Kolben entfernt und meist nur die zarten Körner an der Kolbenspitze herausgefressen. Wenngleich eher wenig gefressen wird, sind die Trampelschäden in Mais und Getreide ungleich bedeutender. Typisch sind die Schadensnester immer in direkter Nähe zum Waldrand und häufig in der Nähe von bewachsenen Gräben. Untrüglich hinsichtlich des Schadensverursachers hingegen sind die unverkennbaren Pfotenabdrücke. Mittlerweile steht die Geiß mit ihren beiden später dazugekommenen Kitzen nun am Rande der Kirrung, um Maiskörner zu suchen, als ein wildes Gekreische und Fauchen aus dem dichten Wald zu vernehmen ist. Ich nehme meinen Waschbärlocker aus der Jackentasche und antworte erst mit arteigenen Lauten, ohne dass die Rehe aufwerfen. Als ich nichts mehr von der Bande links von mir höre, imitiere ich mit heftigem Gekreische eine Auseinandersetzung um Futter, da werfen die Rehe auf. Im flotten Troll kommen vier Waschbären aus dem Wald und gehen zielstrebig auf die Kirrung zu. Erschrocken flüchten Rehe und Waschbären in entgegengesetzte Richtungen, verhoffen und peilen die Lage, ehe sie sich wieder auf die Kirrung zubewegen ...