Im Revier

 

 

Der Wildbestand – die große Unbekannte?

Steigende Wildschäden, Bedrohung durch Krankheiten und eine Verschiebung des ökologischen Gleichgewichts führen zu teilweise heftigen Diskussionen darüber, wie mit Wildbeständen umzugehen sei. Dabei werden von der einen Seite zu hohe Wildbestände unterstellt, andere behaupten gerade das Gegenteil. Grundsätzlich ist jedoch klar, dass die gezielte Lenkung einer Population ohne Kenntnisse zum Wildbestand kaum realisierbar ist.

 

 

 

Bereits in den 1980er-Jahren wurde durch Kollege Lutz Briedermann ein Buch herausgegeben, das sich dem Thema Wildbestandsermittlung widmete. Trefflich nannte es der Wildbiologe: „Der Wildbestand – die große Unbekannte“. Bis heute hat dieses Thema kaum an Aktualität eingebüßt. Im Gegenteil, die Diskussionen um Wildbestände scheinen gegenwärtig so kontrovers zu sein wie nie zuvor. Wie trügerisch es sein kann, sich bei der Wildstandserfassung allein auf sein Gefühl zu verlassen, verdeutlicht anschaulich folgendes Beispiel: Auf dem Züricher Flughafen sollte der dortige Rehwildbestand aus Gründen der Flugsicherheit entfernt werden. Der zuständige Wildhüter schätzte den Bestand vor Beginn des Totalabschusses auf 42 Tiere. Zügig war die veranschlagte Zahl erlegt, es waren aber noch Rehe auf dem Gelände. Auch 100 Stück waren wenig später geschossen, doch noch immer gab es Rehe. Nachdem alle Stücke erlegt wurden, waren insgesamt 215 Rehe zur Strecke gekommen! Dieses Beispiel verdeutlicht die Probleme und Notwendigkeit einer profunden Bestandsermittlung. Grundsätzlich gibt es verschiedene Ansätze, um Populationsdichten zu ermitteln. Neben direkten und indirekten Methoden besteht auch die Möglichkeit der mathematisch-statistischen Herleitung. Es könnte so einfach sein. Bis heute spielt die Streckenrückrechnung bei der Bestandserfassung zumindest theoretisch eine Rolle. Ihr großer Vorteil besteht darin, dass sie ohne größeren Aufwand angewendet werden kann. Der Berechnung wird zugrunde gelegt, dass bei konstanten Strecken über einen mehrjährigen Zeitraum der Nachwuchs einer Population abgeschöpft wird. Dabei wird von einem idealisierten Geschlechterverhältnis von 1 : 1 und einer konstanten Zuwachsrate ausgegangen. Beim Reh zum Beispiel sollte der Bestand unter diesen Voraussetzungen etwa dem Doppelten der Jahresstrecke entsprechen. Dieses Verfahren kann jedoch nur dann zuverlässige Ergebnisse liefern, wenn die in die Berechnung eingehenden Parameter auch zutreffend sind. Dies ist jedoch aufgrund stark veränderlicher und teilweise nur schwer bestimmbarer Ausgangsvariablen kaum zu gewährleisten. Überdies lassen Erfahrungen mit Streckenauswertungen nicht unberechtigte Zweifel über die Richtigkeit von Abschussmeldungen aufkommen. Eine Bestandsrückrechnung muss allein deshalb zu einem völlig falschen Ergebnis kommen. Voraussetzung wäre demnach der körperliche Nachweis jedes erlegten Stückes. Dies ist für die Praxis jedoch kaum umsetzbar. Eine weitere Schwierigkeit zeigt sich darin, dass die Streckenrückrechnung lediglich den Mortalitätsfaktor Jagd widerspiegelt. Diese macht jedoch nur etwa 50 Prozent des abgängigen Wildes aus (Siefke & Stubbe, 2012). Fehlerhafte Berechnungen sind die Folge.

 

Beobachten und zählen

Zähltreiben und Sichtbeobachtung gehören zu den direkten Methoden der Populationsdichteerfassung. Bei Sichtbeobachtungen werden an einem oder mehreren festgelegten Tagen Ansitz-einrichtungen abgesetzt und das in Anblick kommende Wild gezählt. Beim Zähltreiben wird das Wild zusätzlich beunruhigt. Die gezählten Stücke stellen dann den Mindestbestand dar. Je nach Bedingungen wird die Zahl der erfassten Tiere zum Teil erheblichen Schwankungen unterliegen. Lebensraumabhängig kommt überhaupt nur maximal die Hälfte des Bestands in Anblick, sodass die sich daraus ergebende Unsicherheit dieses Verfahrens groß ist ...

 

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