Immer der Reihe nach

 

Die Reihzeit der Stockente ist bereits vorbei. Nun geht es darum, die Gelege zu bebrüten und die Nachkommen nach dem Schlupf bestmöglich zu behüten. Dazu hat unser Wasserwild erstaunliche Strategien entwickelt.

 

 

Die Balzzeit der Stockente im Winter liegt nun schon einige Wochen zurück. Sie wird auch als Reihzeit bezeichnet, weil dabei oft zwei oder mehrere Erpel einer Ente folgen und sie sich dabei häufig hintereinander schwimmend oder sogar fliegend aufreihen (Reihflug). Um einen geeigneten Erpel zu finden, dienen den Enten gewisse Indikatoren. Der Schnabel übernimmt hier eine besondere Rolle. Es wurde nämlich herausgefunden, dass die Farbe des Schnabels für die Entenweibchen als entscheidendes Kriterium für Attraktivität steht. Die Qualität des Erpels entscheidet auch darüber, wie viel in den Nachwuchs investiert wird. Denn nach der sogenannten Allokationshypothese investieren Weibchen mehr in ihre Jungen, wenn diese von einem „Qualitätsmännchen“ gezeugt wurden. Dieser Zusammenhang konnte vor einigen Jahren erstmals auch an Stockenten bewiesen werden (Giraudeau et al. 2010). Erpel mit leuchtend gelbem/orangem Schnabel werden demnach als besonders geeignete Geschlechtspartner eingeschätzt. Die Biologen fanden auch heraus, dass es sich dabei um einen sogenannten ehrlichen Qualitätsindikator handelt. Im Versuch manipulierten die Biologen die Schnabelfarbe einiger Erpel mithilfe carotinoid-haltiger Nahrung. Die Enten reagierten darauf, indem sie nicht nur größere Eier legten. Auch die Zahl der darin enthaltenen Abwehrstoffe war erhöht. Im Ergebnis schlüpften aus diesen Eiern Küken, die größer waren und über ein verbessertes Immunsystem verfügten, was zu einer schnelleren Entwicklung führte und Überlebenschancen vergrößerte.

 

 

Übergriffige Erpel

Häufiger ist in Entenpopulationen ein Überhang an Erpeln festzustellen, was zwangsläufig dazu führt, dass sich nicht alle verpaaren können. Dies führt dazu, dass sie verschiedene Taktiken entwickeln, um sich Kopulationen zu erschleichen oder sie sogar zu erzwingen. Dabei kommt es regelmäßig dazu, dass sich mehrere Junggesellen zusammentun und die Ente regelrecht vergewaltigt wird. Die Erpel gehen dabei derart rigoros vor, dass Enten dabei auch regelmäßig ertrinken. Britischen Forschern zufolge sterben bis zu 10 % der Weibchen durch erzwungene Begattungen. Nicht selten kann man in dieser Phase auch Paarbildungen zwischen Erpeln feststellen. Bagemihl (1999) fand bei seinen Untersuchungen heraus, dass der Anteil gleichgeschlechtlicher Paare je nach Population zwischen 2 und 19 % liegt. Moeliker (2001) berichtet von einem Erpel, der gegen die Fassade des Naturkundemuseums in Rotterdam flog und dabei tödlich verunglückte. Nachdem ein zweiter Erpel den toten Artgenossen entdeckte, wurden über einen mehr als einstündigen Zeitraum Begattungsversuche registriert. Dies war zugleich der erste Nachweis homosexueller Nekrophilie bei dieser Spezies.

 

Hybridisierung

Sogar zwischenartliche Verbindungen werden bei Stockenten immer wieder registriert. Die alte Definition „Was sich paart, ist eine Art“ scheint für sie offenbar nicht zu gelten. Hybridisierungen sind auch der Grund dafür, dass Jäger immer wieder merkwürdige Entenarten nachweisen, die Merkmale zweier verschiedener Entenarten in einem Tier vereinen. Insgesamt hat man bereits über 400 Hybridisierungen bei Wasservögeln nachgewiesen. Bei Stockenten sind Kreuzungen mit zahlreichen anderen Entenarten bekannt, u. a. mit Pfeifenten, Krickenten und Schnatterenten.

Hybridisierungen werden in der Regel durch arteigene Lebensgewohnheiten, -ansprüche und -abläufe vermieden. Wo sie dennoch auftreten, können sie erhebliche Konsequenzen bedeuten. Das Beispiel der sogenannten Hawaii-Ente, einer auf hawaii-anischen Inseln endemischen Art, belegt dies. Dort kommt es immer wieder zu Verpaarungen mit der Stockente. Denn eine anhaltende Vermischung mit den Genen der Stockente würde zu einem systematischen Verlust dieser Art führen, deren Besatz aus nur noch 2.000 Tieren besteht. Zum Schutz dieser seltenen Spezies wird dort versucht, alle Stockenten zu entnehmen.

 

Brut der Märzente

In Europa fällt der Brutbeginn der Stockente oft schon in den März, weshalb sie früher auch als Märzente bezeichnet wurde. Der heute gebräuchliche Name Stockente hat seinen Ursprung darin, dass sie ihre Nester teilweise auch auf Weiden platziert, die auf den Stock gesetzt wurden. Oft werden die Nester jedoch in deckungsreichem Gelände in unmittelbarer Gewässernähe am Boden errichtet. Wie anspruchslos die Stockente hinsichtlich der Standortwahl des Nestes ist, zeigt sich insbesondere im urbanen Raum. Dort werden teilweise auch sehr ungewöhnliche Niststandorte ausgewählt. So fand man in Berlin heraus, dass zwei Drittel aller Nester an und auf Gebäuden angelegt wurden (Hallau und Otto 2005). Das höchste Nest fand sich auf einem vielgeschoßigen Haus in einer Höhe von 46 Metern. Da das Verlassen eines derart hohen Nestes den sicheren Tod für die Entenküken bedeuten würde, existieren in einigen Städten bereits spezielle Fahrdienste. Ente und Gelege (bzw. Jungtiere) werden eingefangen und an das nächste Gewässer transportiert.