AGJSO: Großräumig denken – vor Ort handeln

Von 5. bis 7. Oktober hielt die Arbeitsgemeinschaft der Jagdverbände des Südostalpenraumes (AGJSO) ihre 69. Tagung in Admont in der Steiermark ab. Heuer wurde die Tagung von der Steirischen Landesjägerschaft organisiert und aus gegebenem Anlass dem Thema „Die Rolle der Jagd im Lebensraum- und Artenschutz“ gewidmet. Präsident LJM Walter Brunner eröffnete die Tagung im Tagungshotel Spirodom in Admont und begrüßte die zahlreich erschienenen Ehrengäste, Funktionäre und Delegierten der Mitgliedsverbände.

 

Klima und Waldwirtschaft beeinflussen Wilddichten signifikant

Den Beginn der Vorträge machte der im Nationalpark Berchtesgaden forschende Wildbiologe Rudolf Reiner, der über mehrere Studienergebnisse nachweisen konnte, wie der Lebensraum mit der Wilddichte unmittelbar zusammenhängt. Eine Studie von Rehen in Frankreich hat gezeigt, dass die Rehe im Wald weniger Gewicht haben als jene des Offenlandes. Der Lebensraum hat somit einen direkten Einfluss. Diesen Ansatz verfolgte man dann auch im steirischen Rehwildprojekt. Der Effekt der Randliniendichte wirkt sich signifikant auf das Gewicht der Rehe aus. Somit hat man in der Südoststeiermark mit höheren Wildbretgewichten auch eine weitaus höhere Tragfähigkeit als im Norden der Steiermark. Eine weitere genannte Studie befasste sich mit permanenten versus nicht permanenten Randlinien. Man konnte feststellen, dass die Rehwilddichten und Wildbretgewichte bei der Zunahme von nicht permaneten Randlinien unmittelbar zunehmen. Bei Gamswild konnte man den Effekt ebenso feststellen. Das hat eine große Bedeutung in der Praxis, weil Waldstörungen durch Kalamitäten, Wind etc. in Zukunft enorme nicht permanente Randlinien erzeugen und somit die Dichten automatisch ansteigen werden. Walddynamik und Waldwirtschaft beeinflussen daher ganz stark die Tragfähigkeiten und Dichten der Wildarten Reh und Gams. Als Grundlage einer interessanten Untersuchung – die sich mit dem Klimawandel und Gamswild beschäftigt hat – dienten die weit zurückreichenden Abschussdaten der Bundesländer Salzburg, Kärnten und Steiermark. Man wollte damit herausfinden, wie sich die beiden Lebensraumtypen der Gams (Gratgams und Waldgams) auf die Auswirkungen des Klimawandels einstellen. Fazit: Den Gams zieht es mit steigenden Durchschnittstemperaturen vom alpinen Bereich in den Wald hinunter, um die Auswirkungen besser puffern zu können. Für die Praxis ergibt sich verkürzt die Schlussfolgerung, dass Gams im Hochgebirge mäßig bejagt werden sollen, während man sich im Wald höhere Abschussqouten erlauben kann. Diese Theorie ist aber in den nördlichen und südlichen Kalkalpen nicht zwingend anwendbar.

 

Die große Stärke der Jagd

Aufbauend auf die Inhalte von Rudolf Reiner, hat Hubert Zeiler seinen Vortrag gestaltet. Er betonte gleich eingangs, wie wertvoll umfassendes Datenmaterial für die Arbeit der Wildbiologen heute ist. Jagd war ursprünglich eine rein aneignende Tätigkeit. Heute ist Jagd viel mehr, eine Landnutzungsform, die das Land auch beeinflusst. Alleine die Zahl von jährlich in Europa insgesamt etwa sieben Millionen erlegten Huftieren beweist das eindrucksvoll. Die intensive Schalenwildjagd hat daher Auswirkungen auf den Lebensraum selbst, aber auch auf die Verteilung und das Verhalten des Wildes. Die Steiermak verfügt über ein modernes Wild-Informations-System (WIS). Die darin eingespeisten Daten sind wesentliche Grundlagen für die Wildstandsplanung, aber auch für die Erarbeitung einer WÖRP. Wünschenswert wäre für Zeiler, dass solche Datenbanken der Mitgliedsländer unter den Staaten der AGJSO für die Zukunft kompatibel zusammengefasst werden. Darin liegt die Stärke der Jagdverbände, weil die vielen Jäger auf der Fläche die Daten erheben wie keine andere Organisation. Man könnte Aussagen und Simulationen für den gesamten Südostalpenraum erstellen, das wäre einzigartig.

 

Flexibler im Schutzstatus

Klemen Jerina ist ebenfalls Wildbiologe und lehrt an der Universität Laibach. Er befasst sich im Konkreten damit, wie groß eine Wildtierpopulation sein muss, um langfristig überleben zu können. Im Artenschutz spielt diese Frage heute eine wesentliche Rolle, denn noch nie haben wir so schnell Arten verloren wie in den letzten Jahren. Eine moderne Jagd strebt heute unter anderem eine ganzheitliche Betrachtung und Bewahrung der Natur an. Wünschenswert wäre zukünftig auch eine höhere Elastizität für die Ein- und Umstufung von Arten innerhalb der Schutzregularien wie IUCN oder FFH. Denn die Gewinner und Verlierer der Kulturlandschaften ändern sich schneller, als die Regelwerke angepasst werden.

 

Wildtiere als Qualitätsindikatoren

Der Biologe Erich Tasser aus Südtirol ist am Institut für Alpine Umwelt in Bozen tätig. In einer umfassend angelegten Forschung hat er Wildtiere als Indikatoren für die Qualität der Landschaften in ganz Südtirol herangezogen. Auch diese Forschungsarbeit wurde erst durch die umfangreichen und weit zurückreichenden Streckenaufzeichnungen des Jagdverbandes ermöglicht. Herausgekommen ist eine landesweite Kartierung, die zeigt, in welchen Lebensraumtypen und Höhenstufen es heute in Südtirol zu Biodiversitätsproblemen kommt.

 

AGJSO-Resolution 2023

Nach anregenden Diskussionen zwischen den Experten aus der Wildbiologie und den Jagdfunktionären aus den Mitgliedsländern Italien, Slowenien und Österreich kam man zu folgenden einheitlichen Schlüssen, die in Form dieser Resolution ihren Niederschlag fanden:

Für ein nachhaltiges, zukunftsfähiges Wildtiermanagement sind umfangreiche Daten unerlässlich. Die zur Verfügung stehenden Daten bei den Landesjagdverbänden sind umfassend und wertvoll. Sie stellen eine tragende Säule zur Erhaltung ausgewogener Wildtierbestände dar. Zum Wohl der Wildtiere, die bekanntlich keine Grenzen kennen, gilt es diese Datensätze länder-übergreifend zusammenzufassen und aufzuarbeiten.

Gesunde Wildtierbestände sind vielen Einflussfaktoren ausgeliefert. Der Schutz und die Erhaltung der Lebensräume gemeinsam mit einem modernen Wildtiermanagement erfordern daher einen ganzheitlichen Ansatz. Ökologische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Aspekte müssen berücksichtig werden.

Der übergeordnete Gedanke der AGJSO ist die Erhaltung und die Bewahrung der Biodiversität sowie die Gewährleistung eines nachhaltigen Zusammenlebens von Mensch und Wildtier für die nächsten Generationen. Um all die genannten Ziele zu erreichen, ist es wichtig, eine Balance zwischen großräumigem Denken und dem Handeln vor Ort zu finden. Hier sehen sich die Jägerinnen und Jäger des Südostalpenraumes als wesentliche Akteure.    

mo