„Chinaseuche“ bei Wildkaninchen

Bei fünf verendet aufgefundenen Wildkaninchen südlich von Graz wurde die „Chinaseuche“ diagnostiziert. Diese Viruserkrankung ist hochansteckend. Es besteht sogar die Gefahr, dass sie auf den Feldhasen überspringt.

Die entzündlich-blutende Krankheit der Kaninchen RHD bzw. Rabbit hemorrhagic Disease, landläufig als „Chinaseuche“ bezeichnet, ist eine hochansteckende, weltweit verbreitete Viruserkrankung der Wild- und Hauskaninchen. Für den Menschen, Hunde oder andere Säugetiere ist das Virus vollkommen ungefährlich. In Österreich tritt diese Erkrankung nur sporadisch auf, vermutlich auch deshalb, weil bei uns Wildkaninchen nicht so verbreitet sind wie in anderen Ländern. Die RHD wurde erstmals 1984 in China beschrieben und wenige Jahre später trat diese Erkrankung auch in Europa und auf anderen Kontinenten auf. Ein Ausbruch in Kaninchenpopulationen verläuft meist seuchenhaft und hat erhebliche Auswirkungen auf wilde Kaninchenpopulationen. Unter Wildkaninchen breitet sich die Erkrankung vermutlich auch wegen ihrer geselligen Lebensweise in Bauen rasant aus. Der aktuell aus dem Ausbruch in der Steiermark nachgewiesene Virusstamm ist auch auf Feldhasen übertragbar.

Der Erreger ist das RHD-Virus aus der Virusfamilie der Caliciviridae, welches mitt-lerweile weltweit verbreitet und in der Umwelt außerhalb des Wirtes sehr widerstandsfähig ist. Die Ausbreitung erfolgte unter anderem durch Import/Export von Kaninchenfleisch. Eine ähnliche Virusinfektion, ebenfalls verursacht durch ein Calicivirus, wurde wenige Jahre davor bei Feldhasen unter der Bezeichnung European brown hare syndrome (EBHS) beschrieben.

Im Jahr 2010 wurde in Frankreich vom Auftreten einer neuen Variante des RHD-Virus berichtet, welches als RHD-Virus 2 bezeichnet wird und auch im aktuellen Seuchengebiet südlich von Graz von der AGES Mödling festgestellt wurde. Im Gegensatz zum „klassischen“ RHD-Virus sind für das RHD-2-Virus auch Feldhasen empfänglich. In Deutschland wurden erstmals 2014 Fälle von RHDV-2-Infektionen nachgewiesen, in Österreich im Jahr 2016. Über RHDV-Infektionen bei Haus- und Wildkaninchen wird in Österreich nur gelegentlich berichtet. Der letzte bekannte Nachweis von klassischer RHD gelang im Jahr 2016 bei Wildkaninchen auf der Donauinsel in Wien.

 

Übertragung und Symptome

Der Erreger wird direkt von Kaninchen zu Kaninchen über Sekrete und Exkrete, indirekt über verunreinigte Äsung, Wasser oder über blutsaugende Insekten übertragen, auf Hauskaninchen auch über Futter, Kleidung, Schuhe, Gegenstände oder Hände. Nach einer kurzen Inkubationszeit von ein bis drei Tagen ereignen sich plötzliche Todesfälle ohne klinische Symptomatik oder es treten Symptome wie Mattigkeit, Appetitlosigkeit, hohes Fieber (über 40° C), blutiger Nasenausfluss sowie gelegentlich respiratorische und neurologische Symptome wie Lähmungen oder Bewegungsstörungen auf. Erkrankte Tiere verenden in der Regel nach 12 bis 72 Stunden. Ein chronischer Krankheitsverlauf mit milderen klinischen Symptomen wie Gelbsucht, Appetitlosigkeit und Lethargie oder eine Rekonvaleszenz kommen nur selten vor.

 

Diagnose

Bei der Sektion verendeter Tiere sind meist eine hochgradige nekrotisierende Leberentzündung mit trockener, brüchiger, zunderfarbener Leber, Milzschwellung sowie kleinere Blutungen und ein Lungenödem zu erkennen, daneben gibt es Hinweise auf eine Blutgerinnungsstörung. Bereits anhand der Sektion ist die Diagnose von RHD relativ sicher zu stellen, eine Unterscheidung zwischen RHDV und RHDV-2 ist jedoch nicht möglich, diese erfolgt mittels molekularbiologischer Methoden.

Jungtiere der Kaninchen bis zu einem Alter von ein bis zwei Monaten erkranken in der Regel nicht an RHD. Mit dem aktuell festgestellten Virusstamm RHDV-2 können Jungtiere ab einem Alter von einem Monat erkranken. Für Wildkaninchen gibt es keine Behandlungsmöglichkeit, Hauskaninchen können prophylaktisch geimpft werden.

 

Verdachtsfälle abklären!

Im Rahmen eines freiwilligen Überwachungsprogrammes zur Wildtiergesundheit der Steirischen Landesjägerschaft wird in Verdachtsfällen bei verendeten Kaninchen oder Feldhasen ersucht, mit Dr. Armin Deutz Kontakt aufzunehmen, um die Tiere an der AGES in Mödling untersuchen zu lassen. Nachdem der Virusstamm RHDV-2 auch auf Feldhasen übertragbar ist, wären besonders verendete Hasen aus den Revieren südlich von Graz interessant, um diese in Frankreich festgestellte Übertragbarkeit auf Hasen auch bei uns zu bestätigen.