Seminarrückblick: Bei Wind und Wetter

Aprilwetter mit abwechselnd Sonne, Regen, Sturm und Schnee. Die Challenge: Ziele mit der eigenen Jagdausrüstung auf bis über 400 Meter zu treffen. Geht das?

 

Am 20. April fand in einem Steinbruch in der Nähe des Jagdzentrums Stegenwald ein Praxisseminar statt. Aus rund 70 Einsendungen von ANBLICK-Lesern wurden sechs Teilnehmer ausgelost, die mit ihrer eigenen Jagdausrüstung unter Anleitung lernten, die eigenen Möglichkeiten einzuschätzen.

 

Jäger-Waffen-Kombi

Die beiden Instruktoren jagen selbst und stehen im Militärdienst. Ihre Herangehensweise an das Thema war sehr praxisnah: kurzes Briefing, Schuss, Analyse, Schuss! Auf diese Weise hantelte sich Teilnehmer für Teilnehmer von 100 Metern weiter, bis er an seine eigenen Grenzen stieß. Trotz unangenehmen Aprilwetters zeigte die Treffpunktlage bis 200 Meter, was sie sollte. Selbst unter widrigen Bedingungen braucht es da keine große Kompensation der Umweltbedingungen. Der Schuss sitzt mehr oder weniger fleck – auch bei Seitenwind. Entscheidende Voraussetzung dafür ist natürlich, dass die Schützen-Waffen-Kombination stabil ist. Durch die lineare Ausweitung vergrößert sich sich ein Streukreis in Größe einer Zwei-Euro-Münze von 2,5 cm bei 100 m auf 5 cm bei 200 m und so weiter, bis es bei 500 m schon 12,5 cm sind: der Durchmesser eines Desserttellers. Wer auf 100 m es selbst gerade schafft, auf die Wildscheibe 30 Ringe zu halten, hat auf 500 m bereits einen halbmetrigen Streu-kreis und trifft damit nicht einmal mehr den Wildkörper eines Gamsbockes. Wer Distanzschüsse wagen will, muss auf 500 m konstant einen Streukreis schießen wie ein geübter Jäger auf 100 m!

 

Wenn der Wind jagt ...

Zum persönlichen Streukreis addieren sich die Auswirkungen der Umweltbedingungen hinzu: Auflage im Revier, Nervosität, Seehöhe, Schusswinkel, Wind ... Es braucht über die grundlegende Schießfertigkeit hinaus daher noch sehr viel Erfahrung, um die Umwelteinflüsse „lesen“ und die Geschoßflugbahn ab 200 m vorhersehen zu können. Anders als am Schießstand oder bei behördlichen Einsätzen will der Jäger ja mit dem Erstschuss die Vitalzone des Wildkörpers so treffen, dass dieses im Idealfall im Feuer zusammenbricht.

Als wichtigstes Hilfsmittel dient den Instruktoren dafür ein Wollfaden. Am vorderen Riemenbügel der Waffe montiert, zeigt er die Windstärke ausreichend zuverlässig an. Weht ihn der Wind 45° zur Seite, gilt das als leichter Wind. Bei 90° ist der Wind stark. Noch wichtiger als die Stärke ist die Windrichtung. Auf jagdlich relevante Distanzen hat Wind von vorne oder hinten vernachlässigbare Auswirkungen. Für die größte Treffpunktverlagerung sorgt Wind, der im rechten Winkel zur Flugbahn steht. Als Faustregel rechnen die Instruktoren bei leichtem Wind mit einem seitlichen Versatz des Geschoßes um eine Handbreit auf 300 m. Bei starkem Wind sind es zwei Hände. Auf die Distanz potenziert sich das natürlich weiter.

 

Wind und Wetter lesen

Auf die Frage, auf welche Distanz sich die Instruktoren einen tödlichen Erstschuss auf ein Stück beim vorhandenen miserablen Aprilwetter zutrauen würden, war die Antwort ernüchternd: „Mit meiner (militärischen) Waffe 400 m, nachdem ich die Umwelt eine Stunde lang beobachtet habe. Mit einer .300 Win. Mag. und Jagdgeschoß 300 m!“ Dass der Wind beim Schützen mit mäßiger Stärke von halb rechts kommt, sagt nichts darüber aus, wie er sich im Verlauf der Geschoßflugbahn von einer Talseite auf die andere verhält. Zudem hat Wind die Angewohnheit, in seiner Stärke zu wechseln. Auf eine ausgedehnte windige Phase folgt meist eine kurze Windstille. Überraschend war hier der Tipp der Profis: „Windkorrektur ermitteln und dann schießen, wenn der Wind am stärksten ist, da die windigen Phasen lange dauern und die windstillen nur kurz.“ Regen und Schnee wirken sich auf die Geschoßflugbahn nicht aus, da die Druckwelle des Geschoßes Tropfen und Flocken verdrängt. Anders sieht es bei der Sonne aus. Die Einstrahlung verändert die Treffpunktlage meist ein wenig.

 

Die Ergebnisse

Ziel der Übung war in erster Linie, die eigenen Grenzen im Hinblick auf persönliche Möglichkeiten und die Veränderung der Flugbahn in Relation zu Wind und Entfernung auszuloten. Geschossen wurden hierzu jeweils zumindest zwei Schuss auf die Scheibe, daraufhin erfolgte die Korrektur mit der Klickverstellung am Zielfernrohr oder am ballistischen Absehen. Nochmals zwei Schüsse zum Bestätigen – und weiter! Militärisch präzise ging es so voran. Wie prognostiziert, hielten die meisten Teilnehmer bis 300 m relativ gut mit. Ein beliebter Fehler war eine zu große Vergrößerung. Der Profitipp: niemals höher als zehn- bis höchstens zwölffach gehen, auch bei großer Entfernung nicht. Die Begründung: Der Schuss muss unbewusst brechen und darf nicht bewusst abgegeben werden. Außerdem ist dabei das Sehfeld größer, was einen möglicherweise notwendigen Nachschuss oder eine Folgeerlegung erleichtert.

Bei größeren Entfernungen stieg der Verbrauch an Munition drastisch an, bis die gewollten Treffer auf der Scheibe bestätigt werden konnten. Bei 430 Metern war aufgrund der Wettersituation und des Settings in dem Fall Schluss. Von den sechs Teilnehmern war dennoch einer in der Lage, auf Ansage von Weite, Wind und Winkel ein Stahlziel mit 20 cm Durchmesser mit dem Erstschuss zu treffen. Was es dafür neben hervorragender Jagdausrüstung braucht, brachte der Instruktor auf den Punkt: „Ich gehe alle ein, zwei Wochen in den Schießkeller und schieße dort 20 Schuss: Garbe, Garbe, Garbe ...!“

sm